Erziehung und Unterricht 2018/3+4

Bader-Zaar, Gleichberechtigte Wählerinnen? 183 Erziehung und Unterricht • März/April 3-4|2018 Mitgliedschaft von Frauen in politischen Vereinen aufgehoben. Mit diesen Maßnahmen wurden die seit dem Ende der 1880er Jahre kontinuierlich geforderten Rufe der bürgerlich- liberalen und sozialdemokratischen Frauenbewegungen nach gleichberechtigter politi- scher Mitbestimmung gesetzlich verwirklicht. Das Wahlrecht am Ende der Habsburgermonarchie Nicht für alle Frauen war die politische Gleichberechtigung 1918/19 jedoch etwas Neues. In der Habsburgermonarchie hatte es für die österreichischen Länder ein verwirrendes Ge- misch an Bestimmungen über Wahlen gegeben, vor allem in Hinblick darauf, ob Frauen ausgeschlossen waren oder nicht (Näheres Bader-Zaar 2014). Das 1907 eingeführte allge- meine und gleiche Männerwahlrecht galt nur auf der parlamentarischen Ebene für das Abgeordnetenhaus des Reichsrats. Es war zudem an den zumindest einjährigen dauerhaf- ten Aufenthalt in einer Gemeinde geknüpft, was den Ausschluss mancher Männer, zum Beispiel der Saisonarbeiter und Hausierer, bedeutete. Auf Gemeindeebene galt bis zum Ende der Monarchie überall noch ein ungleiches, auf Grundbesitz, Steuern oder Bildung beruhendes sogenanntes Zensuswahlrecht, das auch die Grundlage für die Wahl der Land- tage bildete. In diesen wurde die ungleiche Vertretung noch durch die Zuordnung der Wähler zu den Kurien der Großgrundbesitzer, der Handels- und Gewerbekammern, der Städte und Märkte, der Landgemeinden sowie einer allgemeinen Kurie verstärkt. Frauen waren in dieses Wahlsystem mitunter, allerdings regional auf ganz unterschied- liche Weise, integriert, manchmal jedoch auch nicht. Häufig verfügten sie unter den glei- chen Steuerbedingungen wie Männer über das Wahlrecht für die Gemeinderäte, mussten sich aber meistens durch einen männlichen Bevollmächtigten bei der Stimmabgabe ver- treten lassen – Ehefrauen etwa durch ihren Ehemann. In den Städten mit eigenem Statut, dazu gehörten u. a. die Landeshauptstädte und auch Wien, waren sie allerdings meistens vom Wahlrecht ausgeschlossen. Bei Landtagswahlen hatten Großgrundbesitzerinnen ein Stimmrecht, oft blieb Frauen jedoch die Stimmabgabe in den Kurien der Städte und der Landgemeinden verwehrt. In der allgemeinen Wählerkurie durften sie, sofern sie – mit ei- nem geringen Steuersatz besteuert wurden – nur in Vorarlberg wählen. Das Reichsrats- wahlrecht besaßen bis 1907 nur Großgrundbesitzerinnen, danach waren hier alle Frauen ausgeschlossen. Die Debatten über das Frauenwahlrecht im Dezember 1918 Weitgehende Akzeptanz und die Sozialdemokraten als treibende Kraft Mit der Ausrufung der Republik war jedoch klar, dass die politische Gleichberechtigung der Frauen unvermeidlich war. Noch im Krieg hatte die russische Februarrevolution 1917 ver- stärkte Forderungen nach dem Frauenwahlrecht ausgelöst, sowohl seitens der Sozialde- mokratInnen – die Partei hatte in der Zeit der Habsburgermonarchie als einzige die Forde- rung in ihr Programm aufgenommen, und zwar 1892 – als auch der bürgerlich-liberalen Frauenbewegung. Christlichsoziale, die bis dahin überwiegend absolute Gegner gewesen waren, begannen nun, sich mit einem eingeschränkten Stimmrecht in Form der Wahl einer eigenen Frauenkurie anzufreunden. Im November 1918 akzeptierte die aus einer Koalition der Christlichsozialen, Deutschnationalen und Sozialdemokraten gebildete Regierung – der Staatsrat – das Wahlrecht „ohne Unterschied des Geschlechts“. Gelegentlich wurde – und wird auch heute – als Begründung des Durchbruchs des Frauenwahlrechts der patriotische Einsatz der Frauen in der Kriegshilfe genannt, der sie reif für die vollwertige Staatsbürger- schaft gemacht habe. So wies auch der Berichterstatter des Wahlausschusses Rudolf Heine

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