Volkswirtschaft gestalten, Schulbuch

78 Marktwirtschaft als Element einer komplexen Ordnung Oft wird behauptet, der Kapi- talismus habe über den Sozi- alismus gesiegt. Das ist falsch, und zwar aus zwei Gründen: 1. hat der Sozialismus sich selbst besiegt. Er ging an seiner Unfähigkeit zur Lö- sung der selbst geschaffe- nen Probleme zugrunde und wurde schließlich von den Völkern, denen er auf- gezwungen war, in einer friedlichen Revolution be- seitigt. 2. herrscht in den modernen westlichen Industriestaa- ten gar nicht „der“ Ka- pitalismus, sondern eine Wirtschafts- und Gesell- schaftsordnung, die über viele Jahrzehnte hinweg schrittweise entwickelt und dabei immer wieder an die sich wandelnden Bedürfnis- se angepasst wurde. ImGegensatz zum Sozialismus war sein Gegenstück nämlich zu permanenten Reformen fähig. Der Kapitalismus ist deshalb in den hochentwickel- ten Industriestaaten heute nur noch ein Element einer viel komplexeren Ordnung. Erst diese Gesamtmischung hat die in der Geschichte einmalige Explosion des Wohlstands er- möglicht, die alle westlichen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Wenn man danach fragt, was die wohlhabenden, hochentwi- ckelten Staaten von den är- meren Ländern unterscheidet, dann reicht die Antwort, es seien Marktwirtschaften, of- fensichtlich nicht aus. Marktwirtschaftliche Verhält- nisse finden sich auch in den meisten Ländern Südameri- kas und in Mexiko, in vielen Ländern Afrikas und Asiens, die auf der Rangliste der Wirtschaftsmächte weit un- ten stehen und noch sehr weit davon entfernt sind, den brei- ten Massen ihrer Bevölkerung sowohl einen ausreichenden Wohlstand als auch soziale Sicherheit und Gerechtigkeit bieten zu können. Wenn man jedoch genauer untersucht, was die reichen, hochent- wickelten Industriestaaten ge- meinsam haben, kommt man eigentlich ganz leicht hinter das Erfolgsrezept und seine Zutaten. Je besser es die je- weiligen Länder verstanden haben, verschiedene Elemen- te (Rahmenbedingungen) zu entwickeln und aufeinander abzustimmen, umso höher ste- hen sie hinsichtlichWohlstand und Lebensqualität, sozialer Sicherheit und Umweltschutz auf der internationalen Rang- skala. Nur in einem solchen Umfeld kann die Marktwirtschaft ihre volle Leistungsfähigkeit ent- falten, nur in einem solchen Umfeld können die ihr inne- wohnenden Energien gebän- digt und der Eigennutzen in den Dienst des Gemeinwohls gestellt werden. Eine Analyse der Erfolgsfaktoren erklärt auch, warum aus keinem der ehemals sozialistischen Staa- ten allein durch einige „markt- wirtschaftliche Reformen“ über Nacht ein Schlaraffen- land werden kann. Abgesehen davon, dass auch in keinem der führenden Industrieländer der Massenwohlstand über Nacht ausgebrochen ist, son- dern über viele Jahre hart er- arbeitet werden musste, reicht es eben nicht aus, nur rasch die Planwirtschaft durch das Etikett „Marktwirtschaft“ zu ersetzen. Nur in einem sinn- voll gestalteten Umfeld kann die Marktwirtschaft ihre Pro- duktivität voll entfalten. Michael Jungblut Mit freundlicher Genehmigung Karikatur: Andreas Breinbauer ARBEITSAUFGABE 11: Erfolgskonzept Kommentieren Sie die Aussage die Frage der Marktfrau in der Zeichnung. Erstellen Sie dazu eine Mindmap mit den Zutaten für einen erfolgreichen, hochentwickelten Industriestaat. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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