Volkswirtschaft gestalten, Schulbuch

38 3 Kritik am BIP als Indikator für Wohlstand Bearbeiten Sie dieses Kapitel und Sie können Ú das BIP als Wohlstandsindikator kritisch analysieren, Ú alternative Indikatoren zum BIP erläutern. Bereits der Erfinder der BIP-Berechnung, der Ökonom Simon Kuznets, kritisierte 1971, dass seine BIP- Berechnungen nicht das wirkliche Wohlergehen einer Bevölkerung in einer Volkswirtschaft messen können. Bei den BIP-Berechnungen handelt es sich nur um eine Quantitätsberechnung, nicht um eine Qualitätsberechnung. Was das Bruttoinlandsprodukt (nicht) erfasst Geldwirtschaft Produktion für den Markt, Erwerbsarbeit Teilhabe Mitwirkung am politischen und kulturellen Leben Informeller Sektor Selbstversorgung, Hausarbeit, Tausch Nachhaltigkeit Langfristige Erhaltung des Ökosystems Bruttoinlandsprodukt Schätzung Seit Jahren gibt es Kritik am BIP. Ú Quantitative Kritik: Das BIP erfasst wichtige Leistungen nicht, die zum Wohlstand eines Volkes beitragen (z. B. Hausarbeit in der Familie, wie Kindererziehung oder Heimwerkerarbeit). Gerade der informelle Sektor (von der Selbstversorgung bzw. Hausarbeit über Nachbarschaftshilfe bis hin zum einfachen Tausch von Gütern) ist aber insbesondere in Entwicklungsländern stark ausgeprägt. Es zeigt sich, dass die Tradition, den Entwicklungsstand eines Landes anhand des Vergleichs des BIPs pro Einwohner/in zu messen, problematisch ist, da Wirtschaftswachstum nicht unbedingt mehr Wohlstand, geschweige denn mehr Lebensqualität und Lebenszufriedenheit bedeutet. Ú Qualitative Kritik: Wenn unsere Felder – ebenso wie das Vieh – mit immer mehr Chemikalien trak- tiert werden, so ist das Wachstumsförderung. Wenn dadurch mehr Weizen angebaut oder Kälber gemästet werden, so schafft das Wachstum. Wenn dadurch Überschüsse in Kühlhäusern gelagert werden, schlägt sich das in Wachstum nieder. Wenn für die Kühlhäuser mehr Strom gebraucht wird, wenn dafür mehr Kraftwerke gebaut werden müssen, ist das nochmals Wachstum. Selbst ein Ver- kehrsunfall mit Toten und Verletzten kann zu einer „Steigerung des BIPs“ führen. Diese Beispiele hinterfragen das BIP als Wohlstandsmaßstab grundsätzlich, weil bestimmte ge- samtwirtschaftliche Wertverluste nicht als Minderung des Wohlstands berücksichtigt werden, wie Luft- und Wasserverschmutzung oder langfristige Klimaverschlechterungen. Etwaige Reparaturkos- ten (= Produktionsfolgekosten) dieser Umweltschäden wirken sogar erhöhend auf das BIP (obwohl nur der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird). Die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sagt wenig über eine gerechte Einkommensverteilung und über die Mehrung der allgemeinen Wohlfahrt aus. KOMPETENZEN Präsentation Kritik am BIP u4y74z Nur zu Prüfzwecken – Eigentu des Verlags öbv

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