Volkswirtschaft gestalten, Schulbuch

194 3.5 Ausgliederungen Ausgliederungen aus den öffentlichen Haushalten sind kein Phänomen der jüngeren Vergangenheit, sondern wurden in Österreich bereits seit den 1960er Jahren durchgeführt. In den letzten Jahrzehnten wurden viele öffentliche Einrichtungen (Bundestheater, Museen, Statistik Austria ...) ausgegliedert. Die Übertragung bestimmter staatlicher Aktivitäten in den privaten Bereich soll Effizienz und Flexibilität der Leistungserstellung steigern sowie höhere Transparenz und Kontrolle durch den Markt ermögli- chen. Neben diesen betriebswirtschaftlich-organisationsbezogenen Motiven sollen auch die Budgets der jeweiligen Gebietskörperschaften entlastet werden. Durch den „Ausgliederungstrend“ wurde es unverhältnismäßig schwieriger, quantitative Bewertungen staatlicher Aktivitäten vorzunehmen, wie zum Beispiel der Investitionstätigkeit und des tatsächlichen Schuldenstandes. Die Transparenz der öffentlichen Haushalte nahm ab. Ebenso verlor der Staat die Möglichkeit der Konjunkturbeeinflussung über die ausgegliederten Betriebe. 3.6 Steigende öffentliche Ausgaben Ein viel diskutiertes Phänomen sind die ständig steigenden Staatsausgaben. Da die Staatsausgaben stärker als das nominelle Bruttoinlandsprodukt steigen, kommt es zu einem langfristigen Anstieg der Staatsausgabenquote (Ausgaben/BIP). Es gibt verschiedene Theorien, die dies zu erklären versuchen. Ausgabensteigerungen durch exogene Ereignisse: Der älteste Ansatz, die steigenden Staatsausgaben zu erklären, betont den sprunghaften Anstieg der Staatsausgaben durch exogene Ereignisse wie Krie- ge oder Wirtschaftskrisen. Wellentheorie der Gebrüder Frey: In den letzten Jahrzehnten waren einige Schwerpunkte in den Aus- gaben zu beobachten, welche die Staatsausgaben ansteigen ließen. Ú 1950/60er Jahre: Straßenbau- und Bildungsausgabenwelle Ú 1954–1964: Geburtenboom Ú 1980/90er Jahre: Umweltboom Diese Wellen haben oft auch ein „Echo“. Dies bedeutet, dass sich nach einigen Jahrzehnten die dama- ligen Ausgaben wieder bemerkbar machen (Bsp.: Autobahnen müssen etwa 30 Jahre nach Errichtung generalsaniert werden). Baumol´sche Kostenkrankheit: Der ÖkonomWilliam J. Baumol beobachtete, dass der staatliche Sektor besonders viele Dienstleistungen (Verwaltung, Justiz, Gesundheit etc.) umfasst. Da in diesem Bereich die Produktivitätsfortschritte geringer als im produzierenden Bereich sind, verteuern sich die relativen Arbeitskosten für diesen Bereich. Soll das staatliche Angebot weiterhin in demselben Ausmaß auf- rechterhalten werden, so muss die Staatsquote steigen. Fiskalillusion: Da viele staatliche Leistungen den Bürgern und Bürgerinnen kostenlos bzw. nicht kos- tendeckend zur Verfügung gestellt werden, entsteht die Illusion, dass deren Herstellung keine Kosten verursacht. Eine exzessive Nachfrage aufgrund dieser Fiskalillusion wird für ein Ansteigen der Staats- ausgaben mitverantwortlich gemacht. Lag-Theorie: Zeitliche Wirkungsverzögerungen (engl.: time-lags) könnten dazu führen, dass diskretio- näre (anlassbezogene) Fiskalpolitik nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Eine Stabilisierung der Wirtschaft, wie sie durch diskretionäre Fiskalpolitik anvisiert wurde, ist nämlich nur dann möglich, wenn diese in der gewünschten Weise und ohne zeitliche Verzögerung wirken kann. Im Normalfall wirkt diskretionäre Fiskalpolitik allerdings erst mit einer Verzögerung von einigen Jahren und kann daher – im schlimmsten Fall – prozyklisch und damit destabilisierend wirken. Als Analogie kann die Dusche gesehen werden, bei der es einen Moment dauert, bis das Wasser die gewünschte Temperatur hat. Ein Ungeduldiger wird bei zu geringer Temperatur versuchen gegenzusteuern und das Wasser heißer aufdrehen, was zu Verbrühungen führen kann. Ausgabenremanenz: Ein starker Rückgang der Nachfrage steht einem geringeren Rückgang der Aus- gaben gegenüber. Gleichzeitig wird jedoch die Qualität erhöht. So sinken z. B. in Folge des demografi- schen Wandels die Schülerzahlen, die Ausgaben gehen jedoch aufgrund qualitativer Verbesserungen, z. B. geringere Klassenschülerzahlen, in geringerem Ausmaß zurück. Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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