Volkswirtschaft gestalten, Schulbuch

183 Wirtschafts- & Konjunkturpolitik 2.2 Ursachen für konjunkturelle Schwankungen Obwohl die Erforschung konjunktureller Schwankungen seit mehr als hundert Jahren einen wichtigen Platz auf der Agenda der Wirtschaftswissenschaften einnimmt, ist deren Erklärung noch immer nicht eindeutig. Konjunkturschwankungen lassen sich auf exogene, psychologische, monetäre und endoge- ne Ursachen zurückführen. Ú exogen: Kriege, politische Veränderungen, Bevölkerungsbewegungen und Naturkatastrophen sind Beispiele für exogene Ursachen von Konjunkturschwankungen. Ú psychologisch: Irrationales Verhalten der Marktteilnehmer kann eine Ursache für Schwankungen sein. Optimistische Erwartungen „kurbeln die Wirtschaft an“, pessimistische Erwartungen bremsen die Entwicklung. Ú monetär: Eine Ausweitung der Geldmenge (bzw. ein sinkender Zinssatz) führt zu einem Anstieg der wirtschaftlichen Aktivitäten. Umgekehrt bewirkt eine Einschränkung der Geldmenge einen Rück- gang der Produktion. Geldvermehrung ohne entsprechende Güter- oder Dienstleistungsvermeh- rung führt zur Geldentwertung. Ú endogen: Die endogenen Theorien versuchen, die Schwankungen der Wirtschaft aus der dem Wirt- schaftssystem eigenen Dynamik heraus zu erklären. Die wichtigsten Theorien dabei sind: • Theorie der „realen Konjunkturzyklen“: Der Gleichgewichtsansatz der Real-Business-Cycle-Theo- rie sieht in den Konjunkturschwankungen eine optimale Reaktion der Marktteilnehmer auf exoge- ne „Schocks“. In dieser Denkweise besteht für den Staat keine Möglichkeit, die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Staatliche Eingriffe sind, da sie ohnedies nur Schaden anrichten, zu vermei- den. • Unterkonsumtionstheorie: Die Theorie der Absatz- oder Konsumkrisen beruht auf der These, dass die Arbeitnehmer/innen über zu wenig Kaufkraft verfügen (da ihnen ein angemessener Teil am Sozialprodukt von den Unternehmen vorenthalten wird). Diese ungleiche Einkommens- verteilung führt dazu, dass zu wenig konsumiert werden kann. • Theorie der übermäßigen Investition: Aufgrund falscher Annahmen über die Marktentwicklung wird zu viel in den Produktionsbereich investiert und Überkapazitäten werden aufgebaut. Die Produkte können nicht zum erhofften Verkaufspreis abgesetzt werden. Als Folge kommt es zu einer Rücknahme der Investitionen, d. h. zum Abbau von Kapazitäten und zur Kündigung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. • politische Konjunkturzyklen: Vor Wahlen wird durch eine aktive Geld- und Fiskalpolitik bewusst ein Konjunkturzyklus beeinflusst. Beispiel für die Theorie der übermäßigen Investition Ein Landwirt erweitert seine Schweinezucht, da derzeit das Angebot an Schweinen gering ist und der Marktpreis steigt, leider treffen viele andere Landwirte und Landwirtinnen die gleiche Entscheidung und investieren auch in eine Erweiterung. Die Konsequenz ist ein Überangebot und ein Sinken des Marktpreises (Schweinezyklus) . Beispiele für gesamtwirtschaftliches Ungleichgewicht Das vermutlich schwerwiegendste gesamtwirt- schaftliche Ungleichgewicht stellte die „große Depression“ in den 1930er Jahren dar. Mas- senarbeitslosigkeit und ein Produktionsrück- gang brachten dieWirtschaft zum Erliegen. In den 1970er Jahren löste ein starker Anstieg der Ölpreise die sogenannte Ölkrise aus. Es kam zu einem starken Anstieg von Inflation und Arbeitslosigkeit sowie geringem Wirt- schaftswachstum. Der Begriff der Stagflation (= gleichzeitiges Auftreten von Stagnation und Inflation) war prägend für diese Periode. Ende der 1990er Jahre kam es zumAktienboom der „new economy“ (insb. für Internetfirmen), der im Jahr 2000 zu einem jähen Ende kam. 2008 platzt die Immobilienblase in den USA, die über eine Finanzkrise zu einer internationalenWirtschaftskrise führt. Diese Beispiele zeigen, dass die wirtschaftliche Entwicklung oft sehr unstetig erfolgt. Perioden raschen Wachstums, in denen sich die Konjunktur „überhitzt“ und sich (vor allem an der Börse) „Blasen“ bilden können, wechseln sich mit Phasen eines rückläufigenWirtschaftswachstums ab, in denen es zu einem „Plat- zen“ der Börse-Blasen kommen kann. In den 1930er Jahren entstand auch dieTheorie von Keynes, die eine antizyklische Konjunkturpolitik motivierte. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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