Volkswirtschaft gestalten, Schulbuch

127 Arbeitsmarkt & Sozialpolitik TO-DO-ÜBUNG: Wie viel soziale Ungleichheit ist gerecht? Arbeitsschritt 1: Welche philosophischen Positionen zum Thema Ungleichheit haben Sie bereits gekannt? Arbeitsschritt 2: Welche philosophische Position würden Sie persönlich teilen? Arbeitsschritt 3: Misch dich ein – der Debattierclub Führen Sie eine Debatte (siehe TOOL BOX 4) zum folgenden Thema: Dieses Haus würde als Höchstgrenze für Einkommen das Zehnfache der Armutsgrenze festlegen. Wie viel soziale Ungleichheit ist gerecht? In den Medien war es eine gro- ßeAufregung: DerVorstand ei- nes Autoproduzenten verdient rund 15 Mio. Euro pro Jahr. Es wurden Beschränkungen und sogar Spezialsteuern gefor- dert. Wir neigen dazu, solche Fantasiegehälter als ungerecht anzusehen. Aber warum ei- gentlich? Und schon sind wir in der Gerechtigkeitsdebatte. Es gibt theoretische Konzepte, die diese Frage unterschiedlich beantworten. Eine kleine Aus- wahl: Für die Vertreter des libera- len Naturrechts (Nozick) ist die Ausgangssituation wichtig, hier soll eine gerechte Vertei- lung vorliegen. Was der Ein- zelne aus dem „gerechten“ Start macht, ist ihm überlas- sen, daher können die Ergeb- nisse ungleich sein. Der Staat soll nicht in den Prozess ein- greifen, da dies gegen das Na- turrecht verstößt. Für die Vertreter des pragma- tischen Libertarismu s (Hayek, Friedman) stellt sich die Frage der Ungerechtigkeit anders. Jeder „freie“ Mensch kann ohne Druck und gut informiert rechtlich korrekteVerträge ab- schließen – auch bei der Ein- kommensverteilung. Wenn die Abläufe korrekt waren, dann sind es auch die Ergebnisse. Eingriffe in die Abläufe sind gerechtfertigt, wenn dies ein- stimmig akzeptiert wird. Es genügt, dass eine Person da- gegen ist, um Interventionen zu verhindern (Vetoprinzip). Auch hier wird eine minima- le Intervention des Staates angestrebt, jedoch anders be- gründet. Hier wird vom Ab- lauf ausgehend argumentiert. Wenn die Abläufe gerecht sind, kommt den Ausgangsbe- dingungen und dem Ergebnis keine Bedeutung zu. Für die Vertreter des liberalen Utilitarismus (Hume, Ben- tham) stellt sich die Frage, ob eine ungleiche Einkommens- verteilung nachteiligeWirkun- gen auf die Volkswirtschaft und damit eine Umverteilung zumVorteil aller (oder fast al- ler) wäre. Es ist heute weitgehend Com- mon Sense, dass es nicht ge- recht ist, wenn etwa in einem Land die Top-10-Prozent der Bevölkerung 66 Prozent aller Geldvermögen auf sich kon- zentrieren. Für die Vertreter des egalitä- ren Liberalismus (John Rawls) ist eine angemessene Un- gleichheit gerecht, da dies not- wendig ist, um ökonomische Anreize auszusenden. Das Unterschiedsprinzip führt dazu, dass derWohlstand aller steigt. Ungleichheit ist somit dann gerecht, wenn sie auch dem am schlechtesten gestell- ten Teil der Gesellschaft nützt, da jede Person ein Recht auf ein Leben inWürde hat. Die Vertreter des Egalitaris- mus (nach Plato) sind bereit, den Nutzen aller zu verrin- gern, wenn dadurch die Un- gleichheit reduziert wird. Plato vertrat die These, dass niemand mehr als das Vierfa- che der Norm verdienen dür- fe. Diese Norm legte er an der Armutsgrenze fest. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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