am Puls Biologie 7 RG, Schulbuch

84 Methoden in der Praxis Myoelektrische Prothesen Vom Holzbein zu bewegbaren Prothesen Am Puls 6 hat dir die Funktion von Nervenzellen vorgestellt, und beispielhaft erwähnt, dass es Schnittstellen zwischen Nervensystem und Elektronik gibt (zB die Cochlea-Implantate, also Hörprothesen). Wie sieht es mit anderen Prothesen 1 aus? Dass amputierte Gliedmaßen durch Prothesen ersetzt werden können, wussten bereits Menschen der Antike (die älteste nachgewiesene Prothese wurde an einer ägyptischen Mumie gefunden, die ca. 600 v. Chr. bestattet wurde). Doch die Prothesen der frühe- ren Menschheit waren starre Gebilde, die zwar einen Körper- teil ersetzten, aber keine Bewegung ermöglichten. Mit der modernen Medizin wurden auch Prothesen entwi- ckelt, welche die Bewegungen der verlorenen Extremität möglichst gut ausführen können. Die Ansteuerung erfolgt über die Muskeln des verbliebenen Extremitätenstumpfes, daher nennt man diesen Prothesentyp myoelektrische Prothe- sen. Dies soll hier am Beispiel einer myoelektrichen Armpro- these erklärt werden, die einen abgetrennten Unterarm er- setzt. Die Steuerung erfolgt über Muskelkontraktionen im Ober- armstumpf. Elektroden, die der Haut aufliegen, registrieren die elektrischen Signale, die hierbei im Muskel entstehen (ähnlich wie bei neuralen Signalen entstehen bei Muskeln durch Freisetzung von Ionen messbare Potenziale). Diese Signale werden elektronisch in Steuerimpulse für die Batterie betriebenen Motoren in der Prothese umgewandelt. Damit die Betroffenen den Arm nicht nur ruckhaft heben und senken können, sondern eine möglichst fein abgestimmte Be- wegung zu ermöglichen, muss die Signalstärke entsprechend reguliert werden. Spannt man einen Muskel kräftig an, wer- den mehr Muskelfasern aktiviert. Entsprechend stark sind die messbaren Impulse. Ein schwaches Signal wird folglich in eine langsame Bewegung umgesetzt, ein starkes in eine schnelle. Künstliche Beine, Arme, Hände? Nicht alle Körperteile sind gleich leicht zu ersetzen. Fuß- und Beinprothesen sind in Vergleich zu Arm- und Handprothesen deutlich einfacher, da für normale Beinbewegungen (Gehen, Laufen) ein einfaches Abwinkeln des Knie- und Sprunggelenks erfolgen muss. Heute sind sogar einfache Prothesen (also solche ohne myoelektrische Steuerung) in der Lage, Fuß und Unterschenkel so gut zu ersetzen, dass Sportlerinnen und Sportler mit Prothesen vergleichbare Leistungen erzielen wie solche ohne Prothesen. Bekannt wurde diese Tatsache durch den südafrikanischen Sprinter Oscar Pistorius 2 . Arm- und Handprothesen ( k Abb. 15) können ihre Funktion dagegen nur als myoelektrische Prothesen erfüllen. Entspre- chende Prothesen kosten mehrere 10 000 Euro, ermöglichen den Betroffenen aber oft ein nahezu normales Leben. Die „Bedienung“ der Prothesen über Muskelspannung muss er- lernt werden, ist aber nach einer Rehabilitation in der Regel problemlos möglich. Abb.15: Myoelektrische Handprothese. Die Hand alleine wiegt etwa 500g, enthält fünf Elektromotoren und wird über die Signale des Arms, die von zwei Elektroden registriert werden, gesteuert. Glossar 1 Prothese: vom Griechischen pro für „vor“ bzw. „anstatt“ und thesis für „das Setzen“ oder „das Stellen“. 2 Oscar Pistorius: Südafrikanischer Sprinter (geb. 1986), dem aufgrund einer angeborenen Fehlbildung beide Unterschenkel im 1. Le- bensjahr amputiert wurden. Pistorius war bei Sprintmeisterschaften (auch unter Läufern ohne Prothesen) im Profisport sehr erfolg- reich. Traurige Berühmtheit erlangte er durch den Mordfall an seiner Partnerin, für den er 2016 verurteilt wurde. Aufgaben W 1 Recherchiere die historische Entwick- lung der Prothesen und den gegenwärtigen Stand der Forschung. Stelle deine Ergebnisse in einer Zeitleiste unter der Verwendung von Bildern und Angabe von Quellen dar. S 2 Hast du Bekannte oder Verwandte mit Prothesen? Erkundige dich nach ihrem Einverständnis, ob du mit Ihnen über die Prothese sprechen darfst. Bei Zustimmung führe mit Ihnen ein Interview, wo du über die Betroffenen über das Leben mit Prothese befragst. Versuche herauszufinden, wie die Bewegungen erlernt wurden und welche Bewegungen im Alltag gut bzw. weniger gut durchgeführt werden können. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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