am Puls Biologie 7 RG, Schulbuch

61 Krankheiten und Gesundheitsförderung 3.3 Epilepsie – Gewitter im Kopf Epilepsie ist eine vorübergehende Störung der Reizleitung in Nervenzellen Aufgaben S 1 Nimm zur folgenden Erzählung Stel- lung: „Ein Bub mit Epilepsie kommt in die Volksschule. Die Ärztin hatte geraten, weder die Klasse noch die Lehrerin darüber zu informie- ren. Er müsse sonst mit Vorurteilen rechnen. Dann kommt es mitten im Klassenraum zu ei- nem Anfall. Es sieht furchtbar aus und keiner weiß, was zu tun ist. Alle, auch die Lehrerin, sind hilflos und entsetzt. Es geschieht das, was die Ärztin nicht wollte: Er wird zum Außenseiter. Als er auf die AHS wechselt, will er das nicht noch einmal erleben. Am ersten Tag stellt er sich vor seine neue Klasse und ruft: »Hört mal zu. Ich habe Epilepsie und zeige euch, wie es aussieht, wenn ich einen Anfall kriege. Danach erkläre ich euch, was ihr dann tun müsst.« Er spielt der Klasse einen Anfall vor. Die ist beein- druckt von seinem Mut. Nie mehr begegnet ihm jemand in der Schule mit Vorurteilen.“ Diskutiert, wie ihr in der Situation vorgehen würdet. Versetzt euch dazu in die Lage a) des Buben, b) der MitschülerInnen und c) der Leh- rerin. S 2 Der beschriebene Bub studiert inzwi- schen an einer Universität. Seine Erfahrung ist aber kein Einzelfall: Viele Menschen mit Epilepsie erfahren Ausgrenzung. Diskutiert, woran das liegen und wie man Vorurteilen begegnen könnte. W 1 Immerhin zwei Drittel der Betroffe- nen bekommen ihre Anfälle mit Hilfe von Therapien in den Griff. Recherchiere, welche Therapieformen es gibt und schreibe kurze Erklärungstexte dazu. Einer von 100 Menschen hat Epilepsie, bis zu zehn Prozent erleben einmalig einen epilepti- schen Anfall. Epilepsie ist damit eine der häufigs- ten Erkrankungen des Nervensystems. Aber das Auftreten eines Anfalls bedeutet nicht unbe- dingt, dass man an Epilepsie erkrankt ist. Ein epileptischer Anfall kann Ursachen haben, die außerhalb (zB ein harter Schlag auf den Kopf, Drogen, Diskolicht) oder innerhalb des Körpers liegen (zB eine Gehirnentzündung, ein Gehirntu- mor, eine Stoffwechselerkrankung). Bei vielen ist nicht klar, warum sie an Epilepsie erkranken. In den meisten Fällen scheinen Genmutationen eine wichtige Rolle zu spielen. Epilepsie ist je- doch keine Erbkrankheit. Viele dieser Mutationen treten spontan auf, sind also nur beim Kind, nicht aber bei seinen Eltern zu finden. Letztlich spielt sich ein epileptischer Anfall zu- nächst immer im Gehirn ab, und zwar im Groß- hirn. Manche glauben, Epilepsie wäre eine Geis- teskrankheit. Das stimmt nicht! Die meisten Menschen mit Epilepsie führen ein ganz oder weitgehend normales Leben. Es gibt viele verschiedene Formen von Epilepsie. Eine Absence ist beispielsweise eine nur wenige Sekunden dauernde geistige Abwesenheit. Beim Grand mal ist das gesamte Großhirn be- troffen. Die Person fällt auf den Boden und krampft. Zu Beginn stößt sie meistens einen Schrei aus. Zuweilen bildet sich durch starken Speichelfluss Schaum vor dem Mund. Wenn du Zeuge eines solchen Anfalls wirst, lege der Per- son etwas Weiches (zB deine Jacke) unter den Kopf und entferne alles Harte und Spitze aus der Umgebung. Fast immer geht der Anfall schnell vorüber. Dauert er länger als fünf Minuten, muss ein Notruf abgesetzt werden, denn es kann durch Sauerstoffmangel zu Gehirnschäden kommen. Wie ein Anfall abläuft, wird dadurch bestimmt, welche Gehirnregion betroffen ist. Deren Nerven- zellen übertragen einen Reiz elektrisch durch Aktionspotenziale entlang ihrer Membran und chemisch durch Ausschüttung aktivierender oder hemmender Neurotransmitter an den Synapsen (siehe Band 6, Kap. 1.3). Bei einem epileptischen Anfall ist die Balance zwischen Hemmung und Erregung gestört. Epileptisch hyperaktive Ner- venzellen beeinflussen andere Nervenzellen, die dann bestimmte Körperfunktionen nicht mehr steuern können. Das dauert meist ein paar Minu- ten. Beim Elektroenzephalogramm (EEG) kann man die Veränderung der Hirnströme während eines Anfalls sichtbar machen ( k Abb. 12). Epilepsie ist keine Geistes- und keine Erbkrankheit, hat aber oft genetische Ursachen 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 Abb.12: EEG-Veränderungen während eines fokalen Anfalls, bei dem nur ein Hirnareal betroffen ist (links) und während eines generalisierten (Grand mal) Anfalls, bei dem das gesamte Großhirn betroffen ist (rechts). Die Zahlen bezeichnen Elektroden, die auf der Kopfhaut befestigt sind. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=