am Puls Biologie 7 RG, Schulbuch

60 Es ist jedoch keineswegs so, dass bei allen Krebs- arten all diese Prozesse in gleicher Reihenfolge ablaufen oder von gleicher Bedeutung sind. Je- der Krebs hat seine Besonderheit in Entstehung und Verlauf. Dennoch hoffen viele Krebsforsche- rinnen und -forscher, dass man mit einem besse- ren Verständnis der grundlegenden Prozesse, wie Krebs entsteht, eines Tages diese Krank- heit(en) besser bekämpfen können wird. Je genauer eine Krebsart erforscht ist, desto spe- zifischer könnte die Therapie aussehen. Bereits jetzt gibt es Ansätze, bestimmte Krebsarten durch synthetisch hergestellte und hoch spezifi- sche Antikörper zu bekämpfen. Sobald die Anti- körper an die Krebszellen binden, werden diese vom Immunsystem erkannt und eliminiert. Eine große Schwierigkeit besteht allerdings dar- in, dass es offenkundig vielen Krebszellen nach vorübergehendem Therapieerfolg gelingt, sich an eine spezifische Behandlung anzupassen, ja, ihr (und damit dem Immunsystem) geradezu auszuweichen – eine Art evolutionäre Anpas- sung. Eine Lösung könnte darin bestehen, sich bei der Medikamentenentwicklung nicht nur auf eine der in Abb. 10 dargestellten Eigenschaften zu konzentrieren, die Krebszellen neu erwerben. Stattdessen könnten mehrere dieser Eigenschaf- ten gezielt angegriffen werden. Wenn etwa zeit- gleich oder zeitnah Wachstumssignale geblockt und die Angiogenese in Geschwüren unterbun- den wird, könnte es Krebszellen deutlich schwe- rer fallen, sich daran anzupassen. Ebenso wäre es denkbar, mehrere Stoffwechsel- schritte, die in einem Prozess wie der Apoptose bei Krebszellen umprogrammiert werden, wie- derherzustellen bzw. deren Ausschalten zu ver- hindern. Derzeit wird Krebs vor allem dadurch bekämpft, indem man verursacht, das Krebsgewebe mög- lichst vollständig zu entfernen. Das ist besonders bei kleinen Geschwüren, die noch nicht metas- tasiert sind, oft erfolgreich (zB in frühen Stadien von Brust- oder Prostatakrebs). Ergänzend wer- den Krebspatientinnen und -patienten häufig mit Chemo- oder Radiotherapie behandelt. Bei der Chemotherapie nimmt der Patient oder die Patientin Medikamente ein, die vor allem bei solchen Zellen tödlich wirken, die sich oft teilen. Da das nicht nur Krebszellen betrifft, sondern zB auch Haarfollikel, fallen den Behandelten oft die Haare aus. Viele klagen über Übelkeit. Bei der Radiotherapie wird das erkrankte Gewebe radi- oaktiv bestrahlt, wodurch das Erbgut der Zellen teilweise zerstört wird und diese dadurch abster- ben. Das ist zwar wesentlich lokaler als die Che- motherapie, doch auch hier werden gesunde Zel- len in der Umgebung des Geschwürs getroffen. Allerdings können sich gesunde Zellen aufgrund der bei ihnen besser funktionierenden Repara- turmechanismen besser regenerieren. Da diese Therapien bei einigen Krebsarten (wie Brust- krebs) relativ gute Heilungschancen zeigen, neh- men Betroffene diese Nebenwirkungen meist in Kauf. Seit geraumer Zeit wird zudem an Immunthera- pien geforscht. Dabei sollen zB spezifische Anti- körper gezielt an Krebszellen binden und deren Zelltod auslösen. Andere Ansätze zielen darauf ab, mit Antikörpern die Prozesse zu reaktivieren, mit deren Hilfe Krebszellen dem Immunsystem ausweichen. Oft lässt sich das Risiko, an Krebs zu erkranken, durch den eigenen Lebensstil verringern: Das Risiko, an Lungen- oder Darmkrebs zu erkranken, ist bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern deutlich geringer. Ähnliches gilt für Alkohol (Leberkrebs) und Sonnenbrand (Hautkrebsrisiko). Spezifische Thera- pien könnten ge- zielter bestimmte Krebsarten bekämp- fen; doch scheinen sich Krebszellen anpassen zu können Mutationen als Grundbedingung von Krebs Wäre eine Wucherung nur lokal, würde sie meist nur begrenzten Schaden anrichten und wäre durch eine Operation relativ leicht zu entfernen – sofern sie rechtzeitig erkannt wird. Etwa 90% der Krebstode gehen aber darauf zurück, dass einige Krebszellen das ursprüngliche Tumorgewebe ver- lassen, in andere Gewebe eindringen und dort wiederum den Stoffwechsel eigentlicher gesun- der Zellen umpolen, sodass an diesem Ort eine neue Wucherung entsteht. Dieser Vorgang heißt Metastasierung. Wie bei den zuvor beschriebe- nen Prozessen ist hierfür eine Mutation be- stimmter Gene verantwortlich. Es sollte nun klar sein, dass Mutationen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Krebs spie- len. Doch ist eine Mutation im Erbgut normaler- weise ein ausgesprochen seltenes Ereignis und wird, wenn sie auftritt, meist von Reparaturen- zymen berichtigt. In Krebszellen scheinen die Reparaturmechanismen außer Kraft gesetzt zu sein, so dass sich Mutationen anhäufen können. Das würde auch erklären, warum mit zunehmen- dem Alter die Wahrscheinlichkeit zunimmt, an Krebs zu erkranken: Je öfter die Zellen sich teilen, desto mehr Mutationen können entstehen. Metastasierung: Krebszellen lösen sich aus dem ursprünglichen Tumor und gehen auf Wanderschaft Variabilität, Verwandt- schaft, Geschichte und Evolution Neue Medikamente: gleichzeitiger Eingriff in mehrere Prozesse der Krebsentstehung? Basiskonzept Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution: Durch Mutationen entstehen Krebszellen, die in ihrem Stoffwechsel, ihrem Wachstum und ihrer potenziellen Unsterblichkeit nicht mehr normalen Zellen entsprechen. Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=