am Puls Biologie 7 RG, Schulbuch

59 Krankheiten und Gesundheitsförderung Krebszellen verhindern den eigenen Tod und sind unbegrenzt teilungsfähig Abb.11: Entwicklung des Verständnisses von Krebsgeschwüren. Während man früher glaubte, dass bösartige Wucherungen im Wesentlichen aus Krebszellen bestünden (links), gehen viele Forscherinnen und Forscher heutzutage davon aus, dass Krebszellen andere Zellen in ihrer Umgebung beeinflussen, die dann das Wachstum der Wucherung unterstützen (rechts) (nach Hanahan und Weinberg 2011). Krebszelle invasive Krebzelle Endothelzelle 2 Perizyte 3 Krebszelle Zellen des Immunsystems invasive Krebszelle Fibroblast 1 Zusätzlich entwickeln sich Krebszellen nicht so wie normale Zellen, die irgendwann zu einem bestimmten Zelltyp werden (z. B. Nervenzellen) und dann fast immer ihre Teilungsfähigkeit ver- lieren. Krebszellen hingegen bleiben „jung“, wofür u. a. eine zu große Konzentration eines Proteins namens c-Myc 4 verantwortlich ist. Alle Zellen unseres Körpers, mit Ausnahme von Stammzellen, sterben früher oder später. Das nennt man Apoptose (Zelltod). Dabei spielen Sensor- und Effektormoleküle entscheidende Rollen: Sensoren nehmen wahr, ob die Zustände innerhalb (zB DNA-Schäden) und außerhalb der Zelle (zB durch Bindung so genannter „Todes- faktoren“ bei einer Verletzung oder durch Verlust des Kontakts zu Nachbarzellen) normal sind. Wenn nicht, werden Effektormoleküle aktiviert, die den Zelltod veranlassen. Entartete Zellen ver- meiden den Zelltod, indem diese Stoffwechsel- prozesse gestört werden. Ein Schlüsselmolekül scheint hier das Protein p53 zu sein, das in mehr als 50% aller menschlichen Krebsarten durch eine Mutation nicht mehr funktioniert. Eine weitere charakteristische Eigenschaft von Krebszellen ist ihre unbegrenzte Teilungsfähig- keit, womit sie Stammzellen ähneln (siehe Band 6, S. 55). Normale Zellen sterben nach durch- schnittlich 60–70 Teilungen. Das liegt v. a. daran, dass bei jeder Teilung die Chromosomen kürzer werden. Krebszellen umge- hen dieses Schicksal, indem sie genau diesen Prozess verhindern, weil bei ihnen nach jeder Teilung das entfernte DNA-Stück wieder ersetzt wird. Um ausreichend an Nährstoffe und Sauerstoff zu gelangen, darf eine menschliche Zelle nicht weiter als 100 µ m von einer Blutkapillare entfernt sein. Daher muss das wuchernde Krebsgewebe mit neu gebildeten Blutgefäßen versorgt wer- den. Auch bei dieser offenbar ziemlich ungeord- neten Neubildung von Kapillaren, Angiogenese genannt, scheinen eine Vielzahl von Signalmole- külen bzw. Störungen im Zellstoffwechsel be- deutsam zu sein. Die Freisetzung von Energie aus Nährstoffen wie Zucker scheint übrigens bei Krebszellen sowohl durch Glykolyse als auch durch Milchsäure- gärung vonstatten zu gehen. Offenbar können diese Zellen schnell zwischen den einzelnen Stoffwechselwegen hin und her schalten oder sogar beide parallel betreiben. Obwohl bei der Gärung wesentlich weniger Energie freigesetzt wird, scheint sich dieser Stoffwechselweg für die Krebszellen zu lohnen: Dabei produzierte Grund- bausteine werden für Zellwachstum bzw. Zelltei- lung benötigt. Angiogenese: Für die Versorgung eines Krebsgeschwürs müssen neue Blutgefäße in die Wucherung einwachsen Steuerung und Regelung Glossar 1 Fibroblasten: Bindegewebszellen, die insbe- sondere das Protein Kollagen produzieren, das für die Festigkeit der extrazellulären Matrix (Raum zwischen den Zellen) sorgt 2 Endothel: innerste Wandschicht von Lymph- und Blutgefäßen 3 Perizyten: Bindegewebszellen an der Außen- wand von Blutkapillaren; können sich zusam- menziehen und dadurch die Durchblutung beeinflussen 4 c-myc: Protein, das die Genaktivität aller Gene, die in einer menschlichen Zelle aktiv sind, verstärkt; in Krebszellen führt dies u.a. zu unkontrollierter Zellteilung Basiskonzept Steuerung und Regelung: Bei Krebs- zellen ist die normale Alterung außer Kraft gesetzt, wodurch sie potenziell unsterb- lich sind. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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