Deutsch Sprach-Lese-Buch 4, Schulbuch [Teil B]
Lesen LP Ausweitung der Inhaltserschließung und des Textverständnisses: literarische Texte. BiSt Die Kinder können das Wesentliche eines Textes erfassen; zu einem Text Stellung nehmen und ihre Meinung begründen. Schnell hat sie das Kühlregal gefunden. Sie will gerade nach der Milch greifen, da wird sie ihr schon gereicht. Der Verkäufer lächelt freundlich. „Ich hab doch gar nicht gebeten, dass der mir die Milch gibt!“, ärgert sich Margit. Auch das Obst ist rasch gefunden. Sie will gerade nach einem Netz mit Äpfeln greifen, da wird es ihr schon gegeben. Margit lässt die Äpfel wütend in den Rollstuhl fallen. Versteckt zwischen Schokoladen- und Keksregalen sitzt Margit und weint. „Sei nicht traurig“, sagt plötzlich jemand. Es ist Sigi. „Die Leute tun so, als wäre ich der ungeschickteste, blödeste und hilfloseste Mensch, dem sie jemals begegnet sind!“ „Das macht der Rollstuhl“, meint Sigi. „Aber das ist doch nichts Besonderes!“, ruft Margit. „Seit meiner Geburt bin ich gelähmt.“ „Was ist gelähmt?“, fragt Sigi. „Ich kann meine Beine nicht bewegen. Meine Füße sind der Rollstuhl. Trotzdem bin ich doch wie alle anderen Kinder auch!“, sagt Margit. Sigi schüttelt den Kopf: „Du bist anders. Du sitzt im Rollstuhl. Ich bin dicker als andere. Du und ich, wir haben etwas Besonderes an uns!“ Margit versteht das nicht. Doch Sigi nimmt sie an der Hand und zieht sie mit sich fort. Am Heimweg kommen sie an der Bank vorbei. Dort sitzen immer noch der ältere Mann und die ältere Frau. Margit tippt der Frau auf den Arm. „Sie tun uns auch leid“, sagt sie und drückt ihr einen Lollipop in die Hand: „Damit Sie sich fröhlich lutschen können!“ Die Frau versteht überhaupt nichts mehr und schnappt nach Luft. „Was passiert ist, wollten Sie wissen?“, fragt Margit den älteren Mann. „Ich habe einen Freund gefunden … ich bin glücklich …“ Sie lacht. „Eben etwas Besonderes“, ergänzt Sigi. An der Ampel bleiben beide stehen. „Du kannst schon vieles allein. Aber ab und zu brauchst du Hilfe. Wie alle anderen auch“, sagt Sigi. „Frag jetzt einfach jemanden, ob er dir über die Stufen hilft.“ Margit fasst Mut. Sie zupft einen vorbeieilenden Mann an der Hose. Der Mann wird rot. „Ich habe nicht gleich gesehen … gewusst … und wie …“, stottert er entschuldigend und hilft. Sigi und Margit zwinkern sich zu. Bei einem Schuhgeschäft treffen sie Anna und ihre Mutter wieder. „Hallo“, ruft Margit ihr zu. „Ich bin behindert!“ Annas Mutter ist entsetzt. „Was ist das, ‚behindert‘?“, fragt Anna. „Das ist zum Beispiel, nicht gehen zu können“, sagt Margit. „Wir müssen nicht spazieren gehen“, erklärt Sigi. „Wir können spazieren fahren.“ Sigi stellt sich hinten auf Margits Rollstuhl. Und beide sausen die Straße hinunter. Auch diesmal schauen die Leute. Doch das macht Margit jetzt nichts mehr aus. Franz-Joseph Huainigg (gekürzt) 35 40 45 50 55 60 65 Margit ärgert sich über manche Menschen. Sprecht darüber, in welchen Situationen das so ist. 2 Über welche Hilfe würde Margit sich wirklich freuen? Macht einige Vorschläge. 3 141 N r zu P üfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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