Deutsch Sprach-Lese-Buch 4, Schulbuch [Teil A]
Im Laufe eines Jahres verändert ein Obstbaum sein Aussehen. In der Fantasiegeschichte von Leo Lionni erfährst du, wie Rudi, der Baum, ein Jahr durchlebt. Die Mäusezwillinge Winnie und Willy werden seine Freunde und begleiten ihn durch die einzelnen Monate. Diese Geschichte eignet sich auch zum Lesen in verteilten Rollen. 1 Lesen Audio-CD, Track 13 LP Ausweitung der Inhaltserschließung und des Textverständnisses: literarische Texte. BiSt Die Kinder können den Verlauf einer Handlung erschließen; das Wesentliche eines Textes erfassen. Ein gutes Jahr Es war der erste Tag im Januar und die Zwillinge machten ihren ersten Spaziergang im Schnee. „Guck mal“, sagte Willy, „eine Schneemaus!“ „Sie hat einen Besen“, sagte Winnie. Aber dann hörten sie eine Stimme: „Ich bin kein Besen. Ich bin Rudi, der Baum!“ Die Zwillinge wollten ihren Ohren nicht glauben. Ein sprechender Baum! Als sie ein paar Wochen später zurückkamen, war es schon Februar, und die Schneemaus schmolz dahin. Der Baum war noch da. „Wo war ihr zwei denn?“, fragte er. Die Zwillinge erzählten Rudi von Bauer Scheuermanns Scheune und von den Kühen, Pferden und Hühnern, die mit ihnen dort lebten. Im März wehte der Wind und es regnete immerzu. Aber die Zwillinge kamen, um Rudi zu sehen. Er war ihr Freund geworden. „So ein Regen ist wunderbar“, sagte er. Als der April kam, waren Rudis Zweige voller Knospen. „Oh, Rudi, du bist schön!“, sagten die Zwillinge, als sie wiederkamen. „Ja“, sagte Rudi. Seine Zweige waren ganz schwer von Blüten und Blättern. „Der Mai ist mein Lieblingsmonat.“ „Magst du den Juni und den Sommer nicht?“ „Doch“, sagte Rudi, „aber viele Leute sind so unvorsichtig mit Zigaretten und Feuer, und viele Bäume sterben in den Flammen. Und ich kann nicht laufen.“ Die Zwillinge guckten einander an. „Keine Angst, Rudi, wir werden dich beschützen“, sagten sie und rannten zurück zur Scheune, um einen Schlauch und Wasser zu holen. Es war Juli, als Winnie und Willy eines Morgens Schreie hörten. „Hilfe! Hilfe! Feuer!“ So schnell sie konnten, rollten sie den Schlauch auseinander. Die Zwillinge kamen gerade noch rechtzeitig. „Wie kann ich euch beiden jemals danken?“, sagte Rudi erleichtert. Der August war der Ferienmonat. Die Zwillinge fuhren mit ihren Eltern ans Meer. Aber vorher sagten sie Rudi noch auf Wiedersehen. Im September hingen Rudis Zweige voller saftiger, köstlicher Früchte. „Wie fleißig du warst!“, riefen die Zwillinge. „Nehmt euch so viel ihr wollt“, sagte Rudi, und die Zwillinge aßen sich die Bäuche voll. Der Oktober kam. Der Herbst war fast vorbei und der Winter rückte näher. Eiskalte Winde bliesen Rudis Blätter fort. „Armer Rudi“, sagten die Zwillinge. „Macht euch keine Sorgen“, sagte Rudi. „Im nächsten Jahr habe ich neue Blätter.“ Jetzt war der Baum kahl. „Es ist schon November“, flüsterte Willy. „Was schenken wir Rudi zu Weihnachten?“ Der Dezember kam … Und dann war Weihnachten. Zuerst brachte Winnie ihr Geschenk. Langsam und geheimnisvoll öffnete 5 10 15 20 25 102 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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