Deutsch Sprachbuch 3, Leseheft

Kinder in Stadt und Land Eine österreichische Sage: Das Donauweibchen Früher einmal war die Donau voller Nixen. Sie war ein breiter Strom, der mit vielen Wasserarmen kleine Inseln umfloss. An beiden Ufern der Donau standen Fischerhütten. Die Fischer wohnten das ganze Jahr darin. Vom Frühling bis zum Herbst fuhren sie mit ihren Booten auf der Donau und fischten. Im Winter, wenn alles zugefroren war, saßen sie in ihren Hütten und besserten Netze aus. Auf dem Grund der Donau wohnten die Nixen in einem Palast aus Muscheln und Wassersprudeln. Er gehörte dem Donaufürsten, und die Nixen waren seine Töchter. Es war Winter. Ein alter Fischer erzählte seinem Sohn vom Donaufürsten. „Hast du ihn schon einmal gesehen, Vater?“, fragte er. „Nein, aber es gibt Leute, denen ist er schon begegnet. Wenn der Mond scheint, spaziert er manchmal als Jäger verkleidet durch die Donauauen. Du darfst ihn nicht ansprechen, sonst schleppt er dich in seinen Palast hinunter, und du kommst nie wieder herauf. Auch die Nixen ziehen immer wieder Menschen ins Wasser, vor allem junge Männer. Nimm dich in Acht!“, sprach der alte Fischer. Der Fischersohn glaubte nicht an Nixen. Da stand plötzlich ein wunderschönes Mädchen in der Tür. Es hatte ein langes, helles Gewand an und dunkles, feuchtes Haar mit gelben Wasserlilien darin. Das Mädchen warnte die beiden Männer vor einem drohenden Hochwasser: „Flieht, sonst seid ihr verloren!“ Gleich darauf war es wieder fort. „Das war ein Donauweibchen“, sagte der Vater. Die beiden Fischer warnten die Nachbarn. Alle flüchteten vom Ufer weg tiefer ins Land hinein. Am nächsten Tag war das Hochwasser da und alles stand unter Wasser. Doch die Fischer hatten sich retten können. Im Frühling stiegen die Männer wieder in ihre Boote und fuhren zum Fischen auf die Donau hinaus. Der junge Fischersohn glaubte noch immer nicht an Nixen, obwohl er eine gesehen hatte. Er hielt das wunderschöne Mädchen mit den Wasserlilien im Haar für einen Traum. Oft fuhr der junge Mann mit seinem Boot weit aufs Wasser hinaus. Obwohl er immer mit einem Netz voller Fische zurückkehrte, wurde er stiller und trauriger. Sein alter Vater war im letzten Winter krank geworden. Er wartete meist vor der Hütte auf die Rückkehr seines Sohnes. Manchmal weinte er, wenn er an die Nixe dachte. „Sie wird ihn holen. Er denkt immer an sie.“ Eines Abends kam der junge Fischer nicht mehr zurück. „Er ist nicht ertrunken“, sagte der alte Mann. „Die Nixe hat ihn geholt. Jetzt wohnt er mit ihr in dem glitzernden Wasserpalast auf dem Grund der Donau und ist glücklich.“ Friedl Hofbauer (gekürzt) 5 10 15 20 25 30 32 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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