Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

37.1 Mond und Erde ziehen einander an. 2.2 Die Gravitationskraft Zu unseren frühesten Erfahrungen zählt, dass Gegenstände zu Boden fallen, wenn man sie loslässt. Auf Seite 33 wurde als Ursache dafür die Anziehungskraft der Erde eingeführt, die wir als Gewicht eines Gegenstandes wahrnehmen: Man sagt, dass ein Gegenstand schwer ist. Entsprechend dem lateinischen Wort gravitas für Schwere wird die Anziehungskraft der Erde als Gravitationskraft bzw. Schwer- kraft bezeichnet. Sie bewirkt, dass wir nicht einfach von der Erde wegfliegen, wenn wir in die Luft springen, sondern auf die Erde zurückkommen. Newton hatte die geniale Idee, diese im täglichen Leben allgegenwärtige Kraft mit den Bewe- gungen der Himmelskörper in Verbindung zu setzen. Warum bewegt sich der Mond um die Erde? Dem Trägheitsgesetz zufolge müsste der Mond ohne Einwirkung einer anziehenden Kraft von der Erde wegfliegen. Wel- che Kraft hält den Mond in seiner Bahn? Wie muss diese Kraft beschaffen sein? N EWTON war 23 Jahre alt, als er ähnliche Überlegungen anstellte. Er vermutete: Die- selbe Kraft, die Gegenstände zu Boden fallen lässt, bewirkt, dass der Mond nicht einfach davon fliegt, sondern sich um die Erde bewegt. Weil die Erde ihrerseits um die Sonne läuft, liegt es nahe, auch der Sonne eine Anziehungskraft zuzuschreiben. Diese hält die Erde und die Planeten in ihrer Bahn um die Sonne. Nach dem Wech- selwirkungsgesetz wird nicht nur der Mond von der Erde angezogen, sondern auch die Erde vom Mond. Die Erde wird von der Sonne und die Sonne von der Erde an- gezogen. In weiterer Folge kann man schließen, dass alle Himmelskörper einander anziehen. Dies entspricht auch den Aussagen des dritten Newton’schen Gesetzes. Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, oder die Wirkungen zweier Körper auf einander sind stets gleich und von ent- gegengesetzter Richtung. Es gilt dieses Ge- setz auch bei den Anziehungen, wie in der nächsten Anmerkung gezeigt werden wird. Sind endlich alle Körper in der Umgebung der Erde gegen diese schwer, und zwar im Verhältnis der Menge der Materie in jedem, ist der Mond gegen die Erde nach Verhält- nissen seiner Masse und umgekehrt unser Meer gegen den Mond schwer, hat man fer- ner durch Versuche und astronomische Be- obachtungen erkannt, dass alle Planeten wechselseitig gegeneinander und die Ko- meten gegen die Sonne schwer sind, so muss man nach dieser Regel behaupten, dass alle Körper gegeneinander schwer sei- en. (Isaac Newton, 1687) . Die Entwicklung des heliozentrischen Weltbilds Noch im Mittelalter wurden die Ansichten von A RISTOTELES an den Universitäten gelehrt und galten als unumstößlich. Nach Aristoteles steht im Mittelpunkt des Weltalls die Erde. Die Himmelskörper bewegen sich auf unterschiedlich großen Kugeln (den „Sphären“) einmal täglich um die Erde, auf der innersten Kugel der Mond, dann folgen die Sonne und die mit freiem Auge sichtbaren fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn und schließlich der Fixsternhimmel. Dieses geozentrische Weltbild entspricht den Beobachtungen: einmal täglich dreht sich der gesamte Himmel um die Erde. Nur die Planeten bewegen sich auch hin und wieder – entgegen der Drehung des Sternenhimmels – in die Ge- genrichtung. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte der im 2. Jh. in Alexandria lebende griechische Wissenschaftler C LAUDIUS P TOLEMÄUS ein System von Zusatz- kreisen, auf denen sich die Planeten bewegten sollten ( 37.2 ). Das System wurde damit allerdings immer komplizierter, es waren schließlich zahlreiche Zusatzkreise nötig, um die Be- wegung der Planeten korrekt zu erklären. Der Astronom N IKOLAUS K OPERNIKUS (1473 Thorn, heute Torun, Polen – 1543 Frauenburg, heute Frombork, Polen) wagte es das System anzuzweifeln. Was ändert sich, wenn man die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt herausnimmt und die Sonne in den Mittelpunkt stellt? Das System wird wesentlich einfacher! Kopernikus erklärte die Bewegungen der Himmelskörper in folgender Weise: − Die Erde dreht sich in 24 Stunden um ihre eigene Achse. − Die Erde bewegt sich in einem Jahr um die Sonne. − Die Planeten bewegen sich wie die Erde um die Sonne, allerdings benötigen sie dafür unterschiedlich lange. Dies er- klärte, dass sie sich relativ zur Erde manchmal rückwärts bewegen. Kopernikus beschrieb das heliozentrische Weltbild kurz vor seinem Tod im Buch De Revolutionibus Orbium Coelestium (Von den Umdrehungen der Himmelskörper) . Um einen Konflikt mit der katholischen Kirche zu vermeiden, wurde im Vor- wort das heliozentrische Weltbild nur als mögliches Denk- und Rechenmodell bezeichnet. Das heliozentrische Weltbild des Kopernikus markiert – neben der Entdeckung Amerikas durch K OLUMBUS 1492 – das Ende des Mittelalters und den Beginn der Neuzeit. Kopernikus nahm als Planetenbahnen Kreise um die Sonne an. Deshalb stimmte die Theorie nicht völlig mit den Beob- achtungsdaten überein. Eine Übereinstimmung erreichte erst J OHANNES K EPLER (1571–1630), als er erkannte, dass die Pla- netenbahnen Ellipsen sind. Die Leistung G ALILEIS , der zur selben Zeit wie Kepler lebte und mit diesem in engem Briefkontakt stand, lag in der Einbet- tung des heliozentrischen Systems in ein neues physikalisches System (s. Seite 29). Mit einem Fernrohr entdeckte er die Sonnenflecken und belegte damit, dass auch die Sonne kein vollkommener Körper ist, wie dies von seinen Gegnern behaup- tet wurde. Er entdeckte die Jupitermonde und bewies damit, dass sich nicht alle Himmelskörper um die Erde bewegen. Warum sich die Himmelskörper um die Sonne bewegen, erklärte erst I SAAC N EWTON mit dem Gravitationsgesetz. Erde Planet Epizyklen- zentrum Deferent Epizykel rückläufige Bewegung 37.2 Mit Epizykeln versuchte Ptolemäus die scheinbare Rückwärtsbewegung der Planeten zu erklären. 37 | MECHANIK 1 Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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