Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

1.1 Das Trägheitsgesetz G ALILEI beobachtete – man sagt, angeregt durch einen im Dom zu Pisa schaukeln- den Kronleuchter – , dass ein Pendel, wenn es nach einer Seite ausgelenkt und losgelassen wird, auf der anderen Seite wieder fast bis zu seiner Anfangshöhe em- porsteigt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Pendelfaden beim Hinüber- schwingen durch ein Hindernis abgeknickt wird ( 28.2 ). Gedankenexperiment 28.1 Galilei überlegte, dass man dasselbe beobachten würde, wenn der Pendelkörper nicht durch einen Faden, sondern von einer entsprechend gebogenen Rinne rei- bungslos geführt würde. Dann würde eine Kugel, die von der einen Seite der Rinne herabrollt, auf der anderen Seite wieder bis zur Anfangshöhe empor rollen – gleichgültig wie steil die Rinne ( 28.3 ) ist. Nun dachte sich Galilei die Neigung der Rinne im „aufsteigenden Teil“ kleiner und kleiner gemacht. Stets wird die Ku- gel auf ihre alte Höhe hinaufrollen. Die Bahn und die Laufzeit werden dabei länger und länger und die Verzögerung kleiner und kleiner. Was geschieht, wenn die Bahn horizontal wird? In diesem Fall muss die Kugel mit kon- stanter Geschwindigkeit unaufhörlich weiterlaufen, sich also auf geradliniger Bahn gleichförmig dahinbewegen ( 28.4 ). Galilei kommt zu der wichtigen Erkenntnis: Trägheitsgesetz Ohne äußere Einwirkung bleibt ein Körper in Ruhe oder er behält seine Geschwindigkeit bei und bewegt sich geradlinig gleichförmig weiter. Unsere Alltagsbeobachtungen scheinen Galilei zu widersprechen: Ein Auto kommt nach einiger Zeit zum Stillstand, wenn man vom Gas weggeht. Ein Radfahrer muss, auch in der Ebene, immer wieder treten, will er nicht nach einiger Zeit still stehen und ein Inline-Skater muss sich immer wieder kräftig abstoßen, sonst rollt er aus. Alle genannten Bewegungen laufen aber nur scheinbar ohne äußere Ein- wirkung ab. Bei allen Bewegungen wirkt die Reibung am Boden und in der Luft bremsend und die Körper kommen allmählich zur Ruhe. Galilei konnte das Trägheitsgesetz experimentell nicht beweisen. Luftkissentische ermöglichen heute fast reibungsfreie Experimentierumgebungen. Im Weltall stört keine Reibung: Die Planeten bewegen sich seit über vier Milliarden Jahren ohne Treibstoff. 28.1 Astronauten bei Reparaturarbeiten am Weltraumteleskop Hubble. Warum sind sie über Seile mit dem Shuttle verbunden? 28.2 Die Schwingung des Pendels: Der links losgelassene Pendelkörper steigt bis zu seiner Ausgangshöhe (rechts) empor. 28.3 Eine auf der linken Seite herab rollen- de Kugel steigt, wenn man vom Einfluss der Reibung absieht, auf der rechten Seite wieder bis zur Anfangshöhe empor. I II III IV 28.4 Je geringer die Neigung der rechten Seite gewählt wird, desto kleiner fällt die Ver- zögerung der aufsteigenden Kugel aus. Geht man zur Waagrechten über, so muss sich die Kugel gleichförmig fortbewegen, sofern man die Reibung außer Betracht lässt. 1 Die Newton’schen Gesetze In diesem Kapitel erfährst du, − wie Galilei den Trägheitssatz entwickelt hat, − warum der Satz noch heute für uns wichtig ist, − was die Physik unter Kraft versteht, − wie du Kräfte messen kannst. 28 MECHANIK 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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