Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

Physikerinnen und Physiker kommen auf unterschiedlichen Wegen zu ihren Erkenntnissen. Ein Teil der Erkenntnisse beruht auf experimentellen Untersuchungen (Messungen), ein anderer Teil auf mathematischen Folgerungen aus einer physikalischen Theorie. Meist fügen sich die Ergebnisse in bisher Bekanntes ein, gelegentlich stehen sie in Widerspruch dazu und führen in Neuland. Die folgende Darstellung der Arbeitsweise der Physik ist daher sehr vereinfacht. Wesentlich für den Erkenntnisweg sind die beschriebenen Elemente. Wie diese Elemente erarbeitet werden, hängt vom untersuchten Gegenstand, von der Per- sönlichkeit des Forschers und seinen praktischen Möglichkeiten ab. 1 Fragestellung: Fragen können sich aus der gezielten oder zufälligen Beobachtung eines bestimmten Phänomens erge- ben, oder auch aus theoretischen Überlegungen (z. B. Widersprüchen). 2 Aufgrund der Beobachtung und der bisherigen theoretischen Modelle wird nach einer Erklärung für die Beobachtung gesucht. Es wird eine Hypothese aufgestellt, ein Gedankenmodell, das mit der Beobachtung und der bisherigen Theorie (falls es eine gibt) im Einklang steht. 3 Aufgrund der Hypothese lassen sich Vorhersagen für mögliche weitere Beobachtungen machen. 4 Die Vorhersagen werden mittels Experiment überprüft. Experimente sind gezielte Fragen an die Natur und müssen be- liebig wiederholbar sein. 5 Werden die Vorhersagen bestätigt, dann kann eine Theorie formuliert werden. Diese muss in Einklang mit der bisheri- gen oder einer neuen Theorie stehen. Die Theorie muss also „konsistent“ mit dem Gesamtmodell der Physik sein, das heißt es dürfen keine Widersprüche auftreten. Physikalische Theorien sollten zumindest langfristig mittels Experi- ment überprüfbar sein. Theorien werden häufig zu einem Zeitpunkt formuliert, wo eine vollständige experimentelle Überprüfung noch nicht möglich ist. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Relativitätstheorie. 6 Hypothesen und Theorien werden in der modernen Physik (auch) mathematisch formuliert. Dies setzt voraus, dass die physikalischen Größen, die in diesen Theorien auftreten, messbar sind. Die Ergebnisse der Messungen müssen den ma- thematischen Gleichungen entsprechen. Aufgrund der mathematischen Formulierung können auch Vorhersagen ge- macht werden, die dann wieder mittels Experiment überprüft werden. Experimente haben in der Physik zentrale Bedeutung. Sie sind für die Gewinnung, aber auch für die Bestätigung physikalischer Erkenntnisse unentbehrlich. Vielfach waren Fälle von Versuch und Irrtum und zufällige Beobachtungen beim Experimentieren Anlass für Fortschrit- te in der Physik. Besonders bedeutende Zufallsentdeckungen führten zum Beispiel im 19. Jahrhundert zur Erforschung des Elektromagnetismus und am Beginn des 20. Jahrhunderts zur Untersuchung von Röntgenstrahlung und Radioaktivi- tät. In allen Fällen bedurfte es allerdings eines geschulten Blicks und allgemeiner Kenntnisse, um die richtigen Fragen zu stellen und Antworten auf diese zu finden. ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? ? Intuition neue Hypothese (unter Umständen mit besserer Fragestellung) Widerspruch zu den Annahmen neue Fragen Verbesserung der Hypothese teilweise Übereinstim- mung mit den Annahmen Technik Fragestellung an die Natur Hypothese prüfbare Voraussagen Experimente, Messungen, Auswertung Bestätigung der Voraussagen phys. Modell oder phys. Theorie geistige Spekulation technische Notwendigkeit Beobachtung eines Naturphänomens bereits vorhandene Theorien Physikalische Arbeitsweise 22 MECHANIK 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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