Sexl Physik 5 RG, Schulbuch

128.1 Ein Effekt, der nur bei Supraleitern auf- tritt: Ein keramischer Supraleiter wird auf einen Permanentmagneten gelegt und mit flüssigem Stickstoff gekühlt. Er wird supralei- tend und schwebt über dem Magneten. Das Vordringen in die Welt tiefer und tiefster Temperaturen brachte zahlreiche Er- kenntnisse über die Materie. Bei sehr tiefen Temperaturen verändern sich nämlich ihre Eigenschaften wie beispielsweise die Elastizität oder – besonders wichtig – der elektrische Widerstand. Von besonderer Bedeutung für Physik und Technik ist immer noch die Entdeckung der Supraleitung durch den niederländischen Physiker K AMMERLINGH O NNES im Jahr 1911. Bei Abkühlung auf tiefste Temperaturen verlieren zahlreiche Stoffe ihren elektrischen Widerstand völlig. Elektrischer Strom durch einen supraleitenden Ring fließt ohne elektrischen Widerstand und wird nicht schwächer. Eine Sensa- tion war es, als G EORG B EDNORZ und A LEXANDER M ÜLLER 1986 keramische Supraleiter bei Temperaturen über −250 °C fanden, die mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden können. Bereits ein Jahr später bekamen die beiden den Nobelpreis in Physik. Für Stromleiter ohne elektrischen Widerstand interessieren sich natürlich die Techniker: Supraleitende Spulen werden zur Erzeugung starker Magnetfelder ver- wendet, in der medizinischen Diagnostik spielt die Magnetresonanztomographie eine große Rolle – sie ist auf supraleitende Magnetspulen angewiesen. Es wäre auch von großem wirtschaftlichem Nutzen, elektrische Energie mit supraleitenden Fernleitungen verlustfrei über große Distanzen zu transportieren. Zukunftstraum ist es, dass in einer nächsten Computergeneration Informationen durch Strom in Supraleitern gespeichert werden können, weil dabei die sonst störende Wärmeent- wicklung entfällt. Dadurch würde die Herstellung kleinerer und noch schnellerer Computer möglich. Immer wieder wird das Perpetuum mobile neu erfunden, aber leider ohne Erfolg. Je nachdem, ob die Maschine den 1. oder den 2. Hauptsatz außer Kraft setzen soll, spricht man von einem Perpetuum mobile 1. oder 2. Art. Ein Perpetuum mobile 1. Art wäre eine Maschine mit einem Wirkungsgrad von über 100% . Sie sollte Arbeit verrichten, ohne dass ein Energiespeicher geleert wird. Eine solche Maschine könnte beispielsweise in einen Speicher Wasser hoch pumpen, das dann über eine Turbine sowohl die Pumpe als auch eine weitere Maschine antreibt. Noch vor der Formulierung des Erhaltungssatzes der Energie beschloss die Pariser Akademie der Wissenschaften 1775, Entwürfe solcher Ma- schinen nicht mehr zu begutachten. Selbst im 21. Jh. werden Perpetuum mobile- Geräte entworfen, in Zeitungen und im Fernsehen beworben und an gutgläubige Kunden verkauft – versprechen sie doch oft eine Wirkung ohne Energiekosten. Ein Perpetuum mobile 2. Art stellt keine Verletzung des Energiesatzes dar, son- dern ignoriert den 2. Hauptsatz. Meist wird vergessen, dass die Abwärme in ei- nen Speicher mit niedriger Temperatur fließen muss (s. S. 122, Planck’sche For- mulierung des 2. Hauptsatzes). Ein Erfinder namens S ANJAY A MIN erregte im Jahr 1999 in den USA Aufsehen (und konnte private Förderer für seine Firma Entropy Systems Inc. finden), als er einen neuen thermodynamischen Kreisprozess nebst zugehöriger technischer Umsetzung vorstellte – die Entropiemaschine. Der Erfinder behauptete: „Entropy Engine technology converts any available heat into power. This heat can be at any temperature (even sub-zero temperatures). Low temperature heat is the most abundant form of energy in the world and the Entropy Engine technology can convert this low temperature heat to power. … Therefore, Entropy Engine techno- logy does not produce any pollution and has virtually zero operating costs.“ Leider konnte auch dieser Erfinder nicht das Perpetuum mobile dauernd laufen lassen. Gäbe es ein solches Perpetuum mobile 2. Art, dann könnte man den Ener- giebedarf der Menschheit durch Abkühlen der Meere decken. Bei „Erfindungen“ dieser Art stellt sich die Frage, ob die Erfinder nur einer Selbsttäuschung erlegen sind, in der Physikstunde nicht aufgepasst haben, oder etwa betrügerisch han- deln. 128.2 Vorschlag eines Perpetuum mobiles. Was hat der Erfinder sich gedacht? Warum wird es nicht funktionieren? 128.3 Perpetuum mobile des V ILLARD DE H ONNECOURT (um 1230) Das Perpetuum mobile – immer wieder neu erfunden 128 ENERGIE Nur z P üfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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