Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

95 Die Entwicklung des Lebens auf der Erde „Black Smoker“ waren vielleicht der Ursprung der chemischen Evolution Anfang der 1980er Jahre entwickelte Günter Wächtershäuser die „Theorie der Schwefel-Eisen-Welt“. Sie besagt, dass die chemische Evolution an der Ober­ fläche von Eisen-Schwefel-Mineralien im Bereich von Black Smokern stattge- funden hat. Durch Reduktion des Eisens in den Eisen-Schwefel-Mineralien mit Wasserstoff (zB FeS 2 + H 2 FeS + H 2 S) wird Energie freigesetzt – nach Wäch- tershäuser die Energiequelle, die die Synthese der ersten organischen Mole- küle aus vulkanischen Entgasungsprodukten (H 2 , H 2 S, N 2 , NH 3 , HCN, H 2 O, CH 4 , CO, CO 2 , H 2 O, P 4 O 10 ) vor mehr als 4 Milliarden Jahren ermöglichte.Bereits einige Tausend Jahre später dürften die ersten Enzyme entstanden sein, wodurch sich die Evolution in kühleren Bereichen fortsetzen konnte. Für die Theorie, dass sich das Leben unter den extremen Umweltbedingungen, die man in der Umgebung der „Schwarzen Raucher“ vorfindet (Temperaturen bis zu 350 °C, hoher Druck, Lichtmangel, hohe Konzentration an anorganischen Stoffen), entwickelt haben könnte, spricht die Tatsache, dass heute noch che- moautotrophe Bakterien und Archaea ( Begegnungen mit der Natur, Band 5) unter anderem dort zu finden sind. Wächterhäusers Theorie wurde unter anderem von Sir Karl Popper unterstützt. Durch Endosymbiose entstanden die ersten fotoautotrophen Eukaryonten Geologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass es bereits vor drei Milli- arden Jahren fotosynthetisierende Prokaryonten gegeben haben muss. Erst später entwickelten sich, vermutlich durch Endosymbiose , die ersten foto­ autotrophen Eukaryontenzellen (Endosymbiontentheorie). Nach dieser Theorie ( Abb. 29) entstanden Eukaryontenzellen durch das Einwandern anderer Zellen in eine anaerobe Vorläuferzelle (anaerober „Urkaryot“). Die Chloroplasten entwickelten sich demnach aus fotosynthese- treibenden Prokaryonten (wahrscheinlich Cyanobakterien), die in Vorläufer der heutigen Eukaryontenzellen einwanderten. Vorläufer der Mitochondrien waren vermutlich aerobe und heterotrophe Bak- terien, die entweder als Endosymbionten (Zellen, die innerhalb anderer Zellen leben) oder als unverdauliche Beute aufgenommen wurden. Geißeln entwickelten sich aus endosymbiontischen spiraligen Prokaryonten. 28  „Black Smoker“ in der Tiefsee.  Günter Wächtershäuser geb. 1938; deutscher Biochemiker und Patentanwalt  Black Smoker sind Schlote aus schwefelhaltigen Mine- ralien am Grunde der Tiefsee im Bereich der mittelozeanischen Rücken ( Be- gegnungen mit der Natur, Band 6), aus denen mit Mineralstoffen und Wasser- stoff beladenes, heißes Wasser aus dem Erdinneren an die Erdoberfläche ge- langt. Durch die Abkühlung werden die Mineralstoffe aus der Lösung ausgefällt, es bilden sich unter anderem Eisenver- bindungen ( zB Pyrit FeS 2 ), die den Was- serstrom wie „schwarzen Rauch“ erschei- nen lassen („Black Smoker“  Abb. 28). Durch die Abscheidung der ausgefällten Stoffe wachsen die Schlote bis sie letzt- endlich verstopft werden und die Quel- len dadurch (nach ungefähr 20 Jahren) versiegen. Vor 2,4 Mrd. Jahren kam es zur „Sauerstoffrevolution“ Durch das Auftreten der fotoautotrophen Lebewesen stieg vor 2,4 Milliarden Jahren der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre weiter an. Sie trugen damit zur so genannten „ Sauerstoffrevolution‘ ‘ bei, der Grundlage für die Bildung unserer heutigen Atmosphäre. Warum vor 2,4 Milliarden Jahren die Sauerstoffkonzentration so rapide anstieg, ist bis heute noch nicht restlos geklärt (es dürften neben der Fotosyn- these auch geologische Veränderungen verantwortlich gewesen sein). 29  Schematische Darstellung der Endosymbiontentheorie (Aufnahme kleinerer Bakterienzellen in eine anaerobe Vorläuferzelle)  Sir Karl Popper (1902–1994), Philosoph, in Wien geboren, 1937 zunächst nach Neuseeland und spä- ter nach Großbritannien emigriert  fotosynthetisierende Prokaryonten Da der von ihnen produzierte Sauerstoff zunächst überwiegend in chemische Ver- bindungen eingegangen ist (im Meer gelöstes Eisen wurde oxidiert), kam es vorerst nur zu einer langsamen Sauer- stoffanreicherung in der Atmosphäre.  Endosymbiose Aufnahme eines Symbiose-Partners in den anderen  „Sauerstoffrevolution“ führte zum Absterben von Anaerobiern (jene ausgenommen, die in sauerstoff­ frei bleibenden Habitaten lebten), wird deshalb oft auch als „Sauerstoff­ katastrophe“ bezeichnet; Überlebende entwickelten Anpassungen an die neuen Umweltbedingungen (zB Zellatmung) aerobes Bakterium Zellkern Mitochondrien anaerobe Vorläuferzelle Tierzelle Pflanzenzelle fotoautotrophes Bakterium Geißel Spirochaeta Chloro- plasten Animation nu3x98 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=