Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

93 Die Entwicklung des Lebens auf der Erde M Arbeitsheft Seite 29 Populationsgenetik Ein Teilbereich der Genetik, die Populationsgenetik , beschäftigt sich mit der Ausbreitung der Allele in Populationen. Godfrey Hardy und Wilhelm Weinberg berechneten und formulierten 1908 dazu die Regel vom populationsgeneti- schen Gleichgewicht, die besagt, dass es durch Rekombination zu keiner Änderung der Allelhäufigkeiten in einer Population kommt. Diese Regel gilt jedoch nur für Idealpopulationen . Da Idealpopulationen in der Natur nicht vorkommen, treten unter natürlichen Bedingungen Veränderungen im Genpool auf. Veränderungen im Genpool (Voraussetzung für Evolution!) treten in der Natur auf, wenn plötzliche Verän- derungen stattfinden (Mutationen), wenn durch Selektion die Fortpflanzungs- rate und die Überlebenswahrscheinlichkeit verschiedener Genotypen unter- schiedlich beeinflusst werden, wenn durch Krankheiten (Seuchen), Unwetter etc. eine Gruppe bestimmter Merkmalsträger plötzlich ausstirbt und sich der überlebende Teil mit etwas unterschiedlichem Genotyp ausbreitet ( Gendrift ), durch Isolation und letztlich durch Migration von Individuen. Die Synthetische Theorie der Evolution Inwieweit Charles Darwin die Mendelschen Gesetze der Vererbung ( S. 43) kannte, ist unklar. Erst August Weismann , der die Lamarcksche Vererbung erworbener Eigenschaften für unwahrscheinlich hielt, gab Darwins Evolutions- theorie mit der Weisman-Doktrin Ende des 19. Jahrhunderts eine genetische Grundlage ( Neodarwinismus ). Nach der Synthetischen Evolutionstheorie finden evolutive Veränderungen auf der Populationsebene statt Etwa ab den 1940er Jahren wurde die Darwinsche Theorie mit den Erkenntnis- sen verschiedener Wissensgebiete, insbesondere der Populationsgenetik, nach und nach zur Synthetischen Evolutionstheorie erweitert. Sie wird heute von den meisten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern anerkannt. Während nach Darwin und Lamarck das Evolutionsgeschehen auf der Ebene des Individuums beziehungsweise einer Art stattfindet, ist nach der Syntheti- schen Theorie Evolution die Veränderung von Allelfrequenzen . Die Syntheti- sche Theorie betrachtet also den Genpool einer Population und untersucht die Ursachen, die zu einer Veränderung dieses Genpools führen. Die wichtigsten Faktoren, die auf eine Population einwirken, sind Variabilität durch Mutation und Rekombination durch sexuelle Fortpflanzung, natürliche Selektion, Gendrift (s. o.), Isolation und Migration. 24  Gendrift in einer Kaninchenpopulation (Schema)  Populationsgenetik untersucht Vererbungsvorgänge inner- halb biologischer Populationen; Teil der Forschungen sind u.a. die Ermittlung der relativen Häufigkeiten bestimmter Allele in Populationen, die Erforschung des Genflusses zwischen Populationen etc.  Godfrey Hardy (1877–1947); britischer Mathematiker  Wilhelm Weinberg (1862–1937); deutscher Arzt  Idealpopulationen sind Populationen, in denen keine Muta- tionen auftreten, es keine Zu- oder Ab- wanderung von Individuen gibt, die Indi- viduenzahl so groß ist, dass Tod und Geburt einzelner Individuen praktisch keine Änderung in der Häufigkeit der Gene bewirken, sich alle Individuen be- liebig paaren können und kein Genotyp gegenüber einem anderen einen Selekti- onsvorteil hat.  Gendrift zufällige Veränderung der Häufigkeit ei- nes bestimmten Allels bzw. mehrerer be- stimmter Allele in einer Population; je kleiner eine Population ist, desto wirksa- mer ist die Gendrift  Migration Ein- oder Abwandern von Lebewesen  August Weisman (1834–1914), deutscher Mediziner  Weisman-Doktrin Diese besagt, dass es zwei Arten von Zel- len gibt: Die Körperzellen und das Keim- plasma (darunter verstand Weismann das Erbmaterial). Alle Veränderungen spielen sich bereits im Keimplasma ab (durch Rekombination und Mutation), das sich schon sehr früh vom übrigen Gewebe getrennt entwickelt. Umweltein- flüsse auf den Körper und dessen Anpas- sungen können deshalb keine Folgen für die Nachkommen haben.  Neodarwinismus Verbindung der Darwinschen Evolutions- theorie (Variabilität als Grundlage der Selektion) mit der Genetik  Synthetische Evolutionstheorie vereint Erkenntnisse der Genetik, Popu- lationsbiologie, Paläontologie, Zoologie, Botanik und Systematik  Allelfrequenz gibt die Häufigkeit an, mit der ein Allel in einer Population auftritt Kaninchenpopulation vor einem Hochwasser: 30 weiße Kaninchen, 20 schwarze Kaninchen Kaninchenpopulation nach einem Hochwasser: 15 weiße Kaninchen, 5 schwarze Kaninchen 60% 40% 75% 25% Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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