Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

80 Vererbung und Humangenetik Seit dem Nürnberger Ärzteprozess gibt es ethische Richtlinien zur Forschung am Menschen Nach dem Zweiten Weltkrieg, zwischen November 1945 und April 1949, fanden im Justizpalast Nürnberg gegen Verantwortliche des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus die Nürnberger Prozesse statt. Einer davon war der Nürnberger Ärzteprozess, der von Dezember 1946 bis August 1947 stattfand und in dem sich Mediziner bzw. Medizinerinnen für Euthanasie , Zwangssterilisationen und Menschenversuche verantworten mussten. Aus dem Urteil ging der Nürnberger Kodex hervor ( Abb. 79).  Euthanasie bezeichnet im eigentlichen Sinne die aktive Sterbehilfe Der Begriff wurde im Nationalsozialis­ mus aber als Bezeichnung für die geziel­ te Ermordung von Menschen mit Behin­ derung missbraucht. euthanasia (griech.) = guter Tod  Nürnberger Kodex seit seiner Erstellung im Jahre 1947 bis heute angewendete ethische Richtlinie zur Durchführung medizinischer, psycho­ logischer und anderer Experimente am Menschen 1. Informiere dich über die „Rassenhygiene“ des Dritten Reiches. Besprecht eure Recherche in der Klasse. 2. In Abb. 76 ist ein so genannter „Ariernachweis“ abgebildet. Solche Ab­ stammungsnachweise mussten zur NS-Zeit erbracht werden, um Juden von Ariern unterscheiden zu können. Diskutiert diese menschenveracht­ ende Maßnahme in der Klasse und analysiert Auswirkungen dieser Form des Rassismus. 3. In Abb. 77 ist ein Auszug aus dem lexikalischen Eintrag zum Begriff „Rassenpflege“ abgedruckt. Charakterisiere, wie diese Ideologie zur Legi­ timierung von Massenmorden benutzt werden konnte. Selbst aktiv! 77  Der Nürnberger Ärzteprozess 1946/47 78  Der Nürnberger Kodex (Quelle: A. Mitscherlich und F. Mielke (Hrsg.), Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses. Frankfurt am Main, 1960) 1. Die freiwillige Zustimmung der Versuchsperson ist erforderlich. Die betreffende Person muss im juristischen Sinne fähig sein, ihre Einwilligung zu geben; sie muss in der Lage sein, unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges, von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen; sie muss das betreffende Gebiet in seinen Einzelheiten hinreichend kennen und verstehen, um eine verständige und informierte Ent­ scheidung treffen zu können. Dies macht es notwendig, dass der Versuchsperson vor der Einholung ihrer Zustimmung das Wesen, die Länge und der Zweck des Versuches klargemacht werden; sowie die Methode und die Mittel, welche angewendet werden sollen, alle Unannehmlichkeiten und Risken, welche zu erwarten sind, und die Folgen für ihre Gesundheit. Die Pflicht und Verantwortlichkeit, den Wert der Zustimmung festzustellen, obliegt jedem, der den Versuch anordnet, leitet oder ihn durchführt. Dies ist eine persönliche Pflicht und Verantwortlichkeit, welche nicht straflos an andere weitergegeben werden kann. 2. Der Versuch darf nicht willkürlich oder überflüssig sein. Er muss so gestaltet sein, dass fruchtbare Ergebnisse für das Wohl der Gesellschaft zu erwarten sind, welche nicht durch andere Forschungsmittel oder Methoden zu erlangen sind. 3. Der Versuch ist so zu planen, dass die zu erwartenden Ergebnisse die Durchführung des Versuchs rechtfertigen. 4. Der Versuch ist so auszuführen, dass alles unnötige körperliche und seelische Leiden und Schädigungen vermieden wer­ den. 5. Ein Versuch darf nicht durchgeführt werden, wenn von vornherein angenommen werden kann, dass er zum Tod oder zu einem dauernden Schaden führen wird. 6. Die Gefährdung darf niemals über jene Grenzen hinausgehen, die durch die humanitäre Bedeutung des zu lösenden Pro­ blems vorgegeben sind. 7. Die Versuchsperson ist durch ausreichende Vorbereitung und geeignete Vorrichtungen auch vor der geringsten Möglich­ keit von Verletzung, bleibendem Schaden oder Tod zu schützen. 8. Der Versuch darf nur von wissenschaftlich qualifizierten Personen durchgeführt werden. Größte Geschicklichkeit und Vor­ sicht sind auf allen Stufen des Versuchs von denjenigen zu verlangen, die den Versuch leiten oder durchführen. 9. Hat die Versuchsperson körperlich oder psychisch einen Punkt erreicht, an dem ihr die Fortsetzung des Versuches unmög­ lich erscheint, so bleibt es ihr freigestellt den Versuch jederzeit zu beenden. 10. Im Verlauf des Versuchs muss der Versuchsleiter jederzeit darauf vorbereitet sein, den Versuch abzubrechen, wenn er ver­ muten muss, dass eine Fortsetzung des Versuches eine Verletzung, eine bleibende Schädigung oder den Tod der Versuchs­ person zur Folge haben könnte. Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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