Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

71 Humangenetik M Arbeitsheft Seite 25 Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Österreich In Österreich erkranken jährlich etwa 38 000 Menschen an Krebs, rund 20 000 Krebserkrankungen enden tödlich. Damit sind Krebserkrankungen nach den Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems die zweithäufigste Todesursache. Doch was ist der Grund für diese Häufigkeit? Ein Mensch besteht aus 10 14 (100 Billionen) Zellen, täglich gehen etwa 10 11 davon (rund 10 dag) zu Grunde und werden wieder nachproduziert. Im Laufe eines Lebens sind dies 2 000 bis 3 000 kg Zellen (1 kg = 10 12 Zellen). Bei diesem gewaltigen Zellumsatz (Turnover) kann folglich vermehrt etwas schief gehen. Zellregulierende Gene können mutieren Fehlregulierte Zellteilungen sind in den meisten Fällen auf Mutationen in den zellregulierenden Genen zurückzuführen. Zeigen sich auch Veränderungen an der Zelloberfläche, werden die betreffenden Zellen vom Immunsystem als „fremd“ erkannt und vernichtet ( Begegnungen mit der Natur, Band 6). Ist dies nicht der Fall, entgehen sie als körpereigene Zellen der Immunabwehr. Zellteilung und -wachstum geraten in der Folge außer Kontrolle. Häufig mutiert das p53-Gen Heute weiß man, dass mehr als die Hälfte aller Krebserkrankungen auf den Ausfall des p53 zurückzuführen sind. Ist das p53-Gen durch Mutation ver­ ändert (zB ausgelöst durch eingeatmete Inhaltsstoffe des Zigarettenrauches), bleibt das Protein, das nach der veränderten Bauanleitung produziert wird, inaktiv. Es gibt aber auch Viren (zB bestimmte Papillomviren ,  S. 37), die p53 „abfangen“ und es damit hindern, die Zelle zu schützen. Eine Inaktivierung von p53 allein verursacht allerdings noch nicht Krebs. Die Krebsentstehung ist eine langjährige Entwicklung. Im Folgenden soll dies am Beispiel einer Hautzelle demonstriert werden. Erst nach mehreren Mutationen entsteht Krebs Die Haut besteht aus mehreren Zellschichten (Unter-, Leder- und Oberhaut). Die Zellen der untersten Schicht der Oberhaut, die Basalzellen , sind teilungs- fähig. Bei der Teilung bleibt die untere Zelle als Basalzelle zurück, die zweite wird nach oben geschoben und beginnt, Hornschüppchen einzulagern. Ganz oben befinden sich nur noch Hornplatten. Zwischen den obersten Schichten der Haut und der untersten teilungsfähigen erfolgt ein Informationsaus­ tausch. Die obersten Schichten schicken kurze Aminosäureverbindungen nach unten. Die Basalzellen haben Rezeptoren für diese Moleküle (Schloss-Schlüs­ sel-Prinzip). Sind alle Rezeptoren besetzt, „weiß“ jede einzelne Basalzelle, dass oben genügend Zellen vorhanden sind und sie sich nicht teilen muss. Bei Zellverlust an der Oberfläche werden weniger Aminosäuremoleküle nach unten geschickt: das ist für die Basalzelle der Befehl für die Zellteilung. Findet nun zufällig in einer Basalzelle, in der p53 mutiert ist, eine Mutation statt, die das Rezeptorprotein auf der Basalzelle auch nur minimal verändert, passt das Aminosäuremolekül nicht mehr („der Schlüssel passt nicht mehr ins Schloss“). Der Rezeptor bleibt unbesetzt. In der Folge würde sich die Zelle nun fort­ gesetzt zu teilen beginnen. Über gap junctions senden die Nachbarzellen allerdings Hemmstoffe aus, die eine Zellteilung verhindern. Die Mutation ist zwar vorhanden, bleibt aber folgenlos. Wochen, Monate bis Jahre können nun vergehen und zufällig tritt in derselben Zelle eine nächste Mutation auf, die die Struktur (und damit die Funktion) der gap junctions betrifft. Damit unterbleibt die Hemmung durch die Nachbarzel­ len – die mutierte Zelle beginnt sich unkontrolliert, fortgesetzt zu teilen (Klon­ bildung). Es entsteht ein so genanntes Carcinoma in situ . Wird in diesem Sta­ dium der Tumor operativ entfernt, ist der Krebs zu 100% heilbar.  zellregulierende Gene Protoonkogene und Tumorsuppressor­ gene. Mutierte Protoonkogene werden als Onkogene bezeichnet, sie regen die Zellteilung an. Tumorsuppressorgene werden durch Mutation inaktiv, wodurch die Teilungshemmung aufgehoben wird.  Papillomviren Warzenviren; von den etwa 100 bekann- ten Papillomviren-Typen, sind 26 human­ pathogen (für den Menschen krankheits­ erregend); einige davon befallen die Zellen der Anal- und Genitalschleimhaut.  Haut Die Gesamtoberfläche unserer Haut be­ trägt 1,6 bis 1,8m 2 , die unseres ca. 9m (!) langen Verdauungstraktes 30-40m 2 .  Basalzelle basis (lat.) = Sockel  gap junctions sind Kanäle in der Zellmembran, die das Cytoplasma benachbarter Zellen mit­ einander verbinden  Carcinoma in situ Karzinom ohne abgewanderte Zellen; in situ (lat.) = in natürlicher Lage 1. Erkläre die biologische Bedeu­ tung des relativ hohen Turn­ overs der Oberflächenzellen. Warum heilt eine Schnittwunde im Vergleich zu einem Knochenbruch viel rascher? 2. Begründe, warum die Krebs­ rate bei alten Menschen höher ist als bei jungen Menschen, der Krebs bei alten Menschen jedoch meistens nicht so rasch fortschreitet. Selbst aktiv! 63  Basalzellen (Lichtmikroskopie) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=