Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

63 Humangenetik M Arbeitsheft Seite 23 Sichelzellenanämie wird ebenfalls durch eine Punktmutation ausgelöst Die Sichelzellenanämie (eine Anämie ist ein Hämoglobinmangel im Blut) wird durch eine Punktmutation auf Chromosom 11 hervorgerufen. Durch die Muta­ tion wird in der β -Untereinheit des Hämoglobins die Aminosäure Valin anstel­ le von Glutaminsäure eingebaut. Dies hat zur Folge, dass sich die Hämoglobin­ moleküle der roten Blutkörperchen bei Sauerstoffverminderung (zB bei körperlicher Anstrengung) zu langen Ketten verbinden (polymerisieren). Die Blutkörperchen nehmen dadurch Sichelform an ( Abb. 53). Das Allel, das zur Bildung normaler Hämoglobinmoleküle führt und das Sichel- zellen formende Allel sind kodominant. Liegt Heterozygotie vor, wird also sowohl normales als auch defektes Hämoglobin erzeugt. Heterozygote Träger bzw. Trägerinnen des Sichelzellenallels sind trotzdem meistens beschwerde­ frei. Nur manche weisen bei extremem Sauerstoffmangel einige Symptome der Krankheit ( Abb. 54) auf. Liegt Homozygotie vor, sind alle roten Blutkör­ perchen im Blut davon betroffen. Die in der Folge auftretenden Symptome zei­ gen sich etwa ab dem 6. Lebensmonat. Die Sichelzellenanämie bringt in Malariagebieten Vorteile Sichelzellenallele finden sich fast ausschließlich bei Schwarzafrikanerinnen bzw. Schwarzafrikanern. In Teilen Afrikas ist fast ein Drittel der Bevölkerung heterozygot für dieses Merkmal. Warum kommt das Sichelzellenallel in ande­ ren Gegenden der Welt praktisch nicht vor? Allele, die sich in einer bestimmten Umwelt nicht als günstig erweisen, unter­ liegen der „Auswahl durch die Umwelt“, der so genannten natürlichen Selek­ tion . Demnach muss das Sichelzellenallel in den betreffenden Gebieten Afri­ kas einen Selektionsvorteil haben, sich also als positiv erweisen. Betrachtet man die Verbreitungskarte der Sichelzellenanämie ( Abb. 55 A) und die der Krankheit Malaria ( Abb. 55 B), lässt sich erkennen, dass sich die Verbreitungsgebiete weitgehend decken. Tatsächlich haben heterozygote Trä­ ger bzw. Trägerinnen des Sichelzellenallels einen Vorteil gegenüber Menschen, die kein Sichelzellenallel tragen – sie sind resistent gegen Malaria. Die geneti­ sche Veränderung hat sich also erfolgreich im Genpool der Population durch­ gesetzt („erfolgreiche Punktmutation“,  S. 81)  natürliche Selektion ( S. 88); Individuen, die für das Über­ leben in einer bestimmten Umwelt die besseren Voraussetzungen mitbringen, also aufgrund ihres Erbmaterials besser angepasst sind, haben eine größere Überlebenschance als solche, die nicht die für die Umweltbedingungen optima­ len Gene aufweisen. Durch die Umwelt findet also eine Auslese statt. Dies be­ deutet aber, dass Mutationen bei gut an­ gepassten Individuen und unveränder­ ten Umweltbedingungen fast immer negative Auswirkungen haben, da sie in gut funktionierende Abläufe eingreifen.  Malaria wird von Parasiten aus der Gattung Plas­ modium ( Begegnungen mit der Natur, Band 5) hervorgerufen, die durch die Anopheles-Stechmücke übertragen wer­ den. Die Plasmodien dringen in rote Blutkörperchen ein, vermehren sich und setzen neue Plasmodien frei. Die Zerstö­ rung der roten Blutkörperchen ver­ ursacht u.a. hohes Fieber, das für die Be­ troffenen lebensgefährlich sein kann. Nach Schätzungen der WHO erkranken jährlich 400 Millionen Menschen. Für die Reise in Länder mit hohem Malariarisiko ist eine medikamentöse Malariapro­ phylaxe (Medikamente, die den Aus­ bruch der Krankheit verhindern) ratsam. 53  Normal geformte Blutzellen und Sichelzellen im Vergleich (REM) 54  Wirkung des Sichelzellenallels bei Homozygotie 55  (A) Verbreitung der Sichelzellen­ anämie, (B) Verbreitung der Malaria Sichelzelle Beeinträchtigung der Hirnfunktion Lähmungen Lungenentzündung und andere Infektionen Rheumatismus Nierenversagen physische Schwäche Anämie Herz- versagen Schmerz und Fieber Gehirn­ schäden Organ­ schäden Milz­ schäden Abbau der roten Blutzellen Homozygotes Individuum für das Sichelzellen-Allel Sichelzellen-Hämoglobin Sichelzellen-Hämoglobin polymerisiert bei Sauerstoffmangel, wodurch die Blutzellen eine sichelförmige Gestalt annehmen Abbau der roten Blutzellen Verklumpung der Blutzellen und Verstopfung kleiner Blutgefäße A B 6 µm Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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