Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

42 Vererbung und Humangenetik M Arbeitsheft Seite 10, 15 Mit der Entdeckung des Mikroskops flammte die Diskussion um die Urzeugung wieder auf Obwohl Redi mit seinem Experiment bewiesen hatte, dass Fliegenmaden nicht durch Urzeugung entstehen, kam es im späten 17. bis frühen 18. Jahrhundert zum Wiederaufkeimen der Urzeugungstheorie. Grund dafür war die Entwick­ lung des Mikroskops, mit dem es möglich war, das Vorkommen von Mikroorga­ nismen in Milch, Suppe etc. zu beobachten und genauer zu studieren. Da die Ursache für ihr Auftreten zunächst ungeklärt war, wurde Urzeugung für ihre Entstehung angenommen. Auch Leeuwenhoek bezweifelte die Urzeugungstheorie Der holländische Hobbyforscher Antoni van Leeuwenhoek , der im Laufe sei­ nes Lebens unter anderem mehr als 200 verschiedene Mikroskope anfertigte und mit ihrer Hilfe als Erster Bakterien und Einzeller beobachtete und beschrieb, lieferte bedeutsame Erkenntnisse über die Existenz verschiedens­ ter Mikroorganismen. Entgegen der Meinung anderer Forscher seiner Zeit zweifelte er daran, dass Leben spontan aus toter Materie entstehen könne. Als Leeuwenhoek menschliche Samenflüssigkeit im Mikroskop untersuchte, dabei die Existenz der Spermien entdeckte und die Hoden als Produktionsort für diese „Samentierchen“ identifizierte, war er davon überzeugt, den Beweis dafür gefunden zu haben, dass Leben nur aus Leben entstehen kann. Aller­ dings vermutete er wie andere Präformisten seiner Zeit, dass in jedem Sper­ mium bereits ein fertiger Organismus, in jedem menschlichen Spermium also ein vollständiger kleiner Mensch, entwickelt sei, der sich nur mehr entfalten müsse ( Abb. 9).  Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723) beschrieb u.a. seine Zahn­ putzgewohnheiten. In einem Bericht vom 17. September 1683 verwies er auf eineweiße Substanz, die er zwischen den Zähnen entdeckte. Als er sie untersuchte, fand er unter dem Mikroskop viele sehr kleine „Tierchen“. Mehr als zwei Jahrhunderte später iden­ tifizierte der englische Mikrobiologe Clifford Dobell (1886–1949) diese anhand von Zeichnungen und Beschreibungen Leeuwenhoeks als Bakterien. Dobell ver­ fasste im Jahr 1932 eine Biografie Leeu­ wenhoeks (Antony van Leeuwenhoek and His „Little Animals“).  Präformisten Anhänger einer Theorie, die annimmt, dass der gesamte Organismus im Sper­ mium bzw. im Ei mit all seinen Anlagen bereits vorgebildet ist prae (lat.) = vor, formatio (lat.) = Gestaltung  Louis Pasteur (1822–1895) französischer Chemiker und Mikrobiologe „Alles Lebende entsteht aus Lebendem“ Erst im 19. Jahrhundert konnte die Theorie der Urzeugung endgültig widerlegt werden. Eine maßgebliche Rolle dafür spielte Louis Pasteur , der zeigen konn­ te, dass Bakterien Fäulnis verursachen und nicht umgekehrt ( Begegnungen mit der Natur, Band 5): Der Wissenschafter befüllte zwei Glaskolben mit Fleischsuppe. Einer der Kolben mündete in einem Schwanenhals ( Abb. 10 und 11). Anschließend kochte er beide Suppen auf, ließ sie wieder abkühlen und zur Beobachtung stehen. Im offenen Kolben zeigten sich bereits nach wenigen Tagen Mikroorganismen. Die Suppe im Kolben mit dem Schwanen­ hals, der zwar Luft eindringen ließ, die darin enthaltenen Schwebeteilchen jedoch zurück hielt, blieb frei von den mikroskopisch kleinen Lebewesen – und das auch noch nach Jahren. Pasteur bewies damit die von dem deutschen Naturforscher Lorenz Oken 1805 aufgestellte Behauptung „Omne vivum e vivo“ (lat. für „Alles Lebende entsteht aus Lebendem“). Einige entscheidende Erkenntnisse zum Entstehen von Leben waren also bereits bis zum Beginn des 19. Jahrhundert gewonnen worden. Wesentliche Fragen zur Vererbung – Was sind die zugrundeliegenden Mechanismen der Verebung? Weshalb gibt es auch Nachkommen, die sich von beiden Eltern­ teilen unterscheiden? etc. – waren allerdings immer noch nicht geklärt. 7  van Leeuwenhoek 8  Louis Pasteur 9  In jeder Keimzelle ist bereits ein kleiner Mensch entwickelt; Darstellung der Präformation nach Nicolas Hartsoeker (niederl. Naturforscher; 1656–1725) 10  Pasteur kochte die Suppe in beiden Kolben auf. 11  Nur im offenen Kolben zeigten sich nach einiger Zeit Mikroorganismen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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