Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

33 Vom Gen zum Merkmal – die Proteinsynthese M Arbeitsheft Seite 8 Krebs kann auch durch Veränderungen im Epigenom entstehen Krebsforscherinnen und -forscher haben festgestellt, dass die Zellen mancher Tumore keine Veränderung im Erbgut ( S. 69 ff) aufweisen, jedoch ein modi- fiziertes epigenetisches Muster gegenüber dem Normalgewebe (zB eine ver­ stärkte Methylierung der Tumorsuppressorgene ) zeigen. Studien weisen auf eine Vererbung des Epigenoms hin Es gibt mehrere Studien, die sogar auf eine Vererbung des Epigenoms schlie­ ßen lassen. So beobachteten zwei US-amerikanische Forscher, dass die Nach­ kommen von Mäusen, die durch klassische Konditionierung ( Begegnungen mit der Natur, Band 6) darauf trainiert wurden, beim Geruch einer bestimmten Substanz zu erschrecken, zu zittern begannen, sobald ihnen der Geruch in die Nase stieg, ohne jemals zuvor die Erfahrung ihrer Eltern gemacht zu haben. Selbst bei der nächsten Generation, also bei den Enkeln, ließ sich dieses Ver­ halten noch beobachten. Es scheint diesbezüglich aber auch Erfahrungen beim Menschen zu geben, wie ein Beispiel aus dem Hungerwinter 1944/45 in den Niederlanden zeigt: Aufgrund der Hungersnot brachten schwangere Frauen stark untergewichtige Kinder zur Welt. Wie sich herausstellte, litten viele dieser Kinder im Lauf ihres Lebens an Depressionen, Schizophrenie und Übergewicht, im Alter kamen Herzprobleme und Diabetes dazu. Interessant war, dass die Kinder der nächs­ ten Generation auch wieder relativ kleine Kinder zur Welt brachten, obwohl es bereits Nahrung im Überfluss gab. Gegenstand der aktuellen Forschung ist u.a. der Mechanismus, auf dem die Weitergabe epigenetischer Marker an die nächste Generation basiert. Es wurde herausgefunden, dass nicht alle DNA-Methylierungen bei der Keim­ zellenbildung gelöscht werden. Sie bleiben teilweise bei bestimmten Genen erhalten und erzeugen auf den haploiden Genomen der Ei- bzw. Spermien­ zellen bestimmte Muster. Die Folge ist, dass bei den diploiden Zellen der Nachkommen entweder das Allel, das von der Mutter stammt, oder das des Vaters aktiv ist. Das jeweils andere Allel ist „stumm“ („ Gen-Silencing “). Das Phänomen, dass die Expression mancher Gene davon abhängen kann, von welchem Elternteil das Allel stammt, wird als Imprinting bezeichnet.  modifiziertes epigenetisches Muster Krebszellen weisen oft charakteristische Muster an 5-Methylcytosin, das bei der DNA-Methylierung entsteht, auf. Da epigenetische Marker durch Medika- mente beeinflusst werden können, sind sie Gegenstand der Forschung zur Krebs­ prävention und -bekämpfung (Krebs­ diagnostik).  Tumorsuppressorgene sind Gene, deren Produkte das Zell- wachstum und die Zellteilung hemmen suppressio (lat.) = das Unterdrücken  Hungerwinter 1944/45 1944/45 war der Winter in den Nieder- landen so kalt, nass und lang, dass in dem noch von den Deutschen besetzten Gebiet 20 000 Menschen verhungerten.  Gen-Silencing Gen-Stilllegung  Imprinting genomische Prägung 31  Agouti-Mäuse – gleicher Genotypus, unterschiedlicher Phänotpus Die in Abb. 31 dargestellten Mäu­ se tragen beide das gleiche, für die Fellfarbe verantwortliche Agouti-Gen in ihrem Erbmaterial. Trotzdem weisen sie einen unter­ schiedlichen Phänotypus auf. Im Jahr 2007 erlangten solche Agouti-Mäuse durch ein Experi­ ment des US-Krebsforschers Randy Jirtle Berühmtheit. Recherchiere Informationen zum Experiment, das der Wissenschaf­ ter durchführte, und fasse die Ergebnisse zusammen. Selbst aktiv! 1. „Die Gene sind die Hardware, die Epigenome die Software.“ Interpretiere diese Aussage. 2. „Wir sind, was unsere Mutter gegessen hat“, schreibt der deutsche Wis­ senschaftsjournalist und Autor Peter Spork in seinem Buch „Der zweite Code: Epigenetik – oder Wie wir unser Erbgut steuern können“. Erläutere diese Aussage. 3. Angenommen, es findet eine Inaktivierung von Tumorsupressorgenen in Zellen der Darmwand statt. Erläutere die Folgen und nenne mögliche Gründe, die der Inaktivierung zugrunde liegen könnten. 4. Die Methylierung bestimmter Tumorsupressorgene könnte als Biomarker (Indikator) zur Früherkennung von Krebs genutzt werden. Erörtere wie dies im Zuge der Krebsdiagnostik Anwendung finden könnte. Selbst aktiv! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=