Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

150 Biotechnologie und Gentechnik Lösen gv-Pflanzen das Hungerproblem auf der Welt? Gegnerinnen und Gegner des Gentechnikeinsatzes in der Landwirtschaft ver- treten die Meinung, dass auch ohne Gentechnik die Ernährung der Weltbevöl- kerung gesichert wäre, wenn die Lebensmittel gerechter verteilt würden und die Menschen in den Ländern, in denen Unterernährung und Hunger regieren, Zugang zu Land, Wasser und Saatgut, zu lokalen Märkten, einfachen Technolo- gien, Bildung und Kenntnissen über nachhaltige Landwirtschaft bekämen. In den EU-Staaten stellt sich heute das Problem der Überproduktion von Lebensmitteln . Es ergibt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, gene- tisch veränderte Organismen, mit dem Ziel der Qualitätssteigerung durch Erhöhung des Gehaltes an essenziellen Amino- und Fettsäuren oder Vitami- nen, freizusetzen. Aber auch die Zulassung solcher gv-Pflanzen in den Ent- wicklungsländern ist umstritten. Vielerorts wird der kommerzielle Anbau von „Golden Rice“ abgelehnt, da nicht gesichert ist, ob und wie lange er gelagert werden kann, ohne dass es dabei zu einem Verlust an Carotinoiden kommt. Außerdem ist noch unklar, wie der Reis optimal zubereitet werden muss, damit das Carotin im Darm resorbiert werden kann. Weiters wird kritisiert, dass die derzeit zugelassenen gv-Pflanzen fast aus- schließlich in der Futtermittelindustrie , zur Gewinnung von Biotreibstoffen und in der Bekleidungsindustrie (Baumwolle) verwendet werden und somit ohnehin keinen Beitrag zur Bekämpfung des Welthungers leisten. gv-Pflanzen weisen nicht nur erwünschte Eigenschaften auf Gentechnisch veränderte Pflanzen können auch neue unerwartete, un- erwünschte Eigenschaften aufweisen. So gab es beispielsweise bei gentech- nisch gegen Unkrautvernichtungsmittel widerstandsfähig gemachten Baum- wollpflanzen in Mississippi große Ernteeinbußen, da die Pflanzen vor der Ernte die Fruchtkapseln abwarfen. gv-Pflanzen lassen sich nicht kontrollieren Bei Rückkreuzungsversuchen von unkrautvernichtungsmittelresistentem Raps mit Wild-Kohl wurde beobachtet, dass bereits nach zwei Rückkreuzungen 40% der Nachkommen gegen Unkrautvernichtungsmittel resistent waren. Durch Verbreitung der Pollen durch den Wind beziehungsweise durch Bestäuber könnte das Erbmaterial der gv-Pflanzen in Wildkräuter oder herkömmliche Nutzpflanzen eingekreuzt werden. Zudem ist, wie bereits Fälle aus der Vergangenheit aufzeigen, eine strenge Trennung zwischen Saatgut von gv-Pflanzen und herkömmlichen nicht gewährleistet. So wurde beispielsweise im August 2006 die EU-Kommission davon in Kenntnis gesetzt, dass mit gv-Reis verunreinigter Langkornreis illegal aus den USA in der EU auf den Markt gekommen sei. Um zu verhindern, dass der weltweit weder für den menschlichen Verzehr noch für den Anbau zuge- lassene Reis mit der Bezeichnung LL601 weiter bei uns in Umlauf kommt, ver- fügte die Kommission, dass US-Langkornreis ab sofort nur mehr nach vorheri- ger Kontrolle durch ein anerkanntes Labor importiert werden darf. Der von einem weltweit bekannten Unternehmen (bzw. von Vorläufern des heutigen Agrounternehmens) entwickelte Reis weist eine Resistenz gegen ein ebenfalls von diesem Konzern hergestelltes Totalherbizid (wirkt gegen Unkräuter aller Art) auf. Zu Versuchszwecken wurde er zwischen 1999 und 2001 in den USA angebaut. Es ist unklar, wie es zum Eintrag des genmanipulierten Reises kom- men konnte. Es liegt die Vermutung nahe, dass er in einem Züchtungsinstitut unbeabsichtigt mit herkömmlichem Saatgut vermischt worden sein könnte.  Ernährung der Weltbevölkerung Der Schweizer Soziologe und Globalisie- rungsgegner Jean Ziegler (geb. 1934) ver- tritt die Meinung, dass mit den weltweit produzierten Nahrungsmitteln zwölf Milliarden Menschen ernährt werden könnten.  Überproduktion von Lebensmitteln Mehr als ein Drittel der in den Industrie- ländern produzierten Lebensmittel lan- det im Müll. Während weltweit knapp eine Milliarde Menschen an chronischer Unterernährung leiden, sind 1,5 Milliar- den übergewichtig.  Futtermittelindustrie/Biotreibstoffe Um den steigenden Fleischbedarf in den Industrieländern decken zu können, wer- den Tiere in Massentierhaltung gezüch- tet, was große Futtermittelmengen er- fordert. Der größte Sojaexporteur der Welt, von dem auch der Großteil des in die EU importierten Sojas stammt, ist Brasilien (ein Viertel der brasilianischen Bevölkerung leidet an Hunger!). Gleich- zeitig werden in Europa Pflanzen (Öl- pflanzen, Zuckerrüben, Getreide, …) zur Energieversorgung (Herstellung von Bio­ sprit, Vergärung in Biogasanlagen) an- gebaut. 44  Baumwollpflanze 45  Rapsfeld Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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