Begegnungen mit der Natur 8, Schulbuch

111 Systematik und Artenvielfalt M Arbeitsheft Seite 35, 36 Aufstellen von phylogenetischen Stammbäumen Die stammesgeschichtliche Entwicklung von Lebewesen lässt sich durch Hin- weise aus den verschiedensten naturwissenschaftlichen Disziplinen (zB Paläo- ntologie, Verhaltensforschung, Molekularbiologie) in phylogenetischen Stammbäumen aufzeigen. So ist zB der Stammbaum der Pferde heute durch umfangreiche Fossilienfunde gut belegt. Konrad Lorenz erstellte Stammbäu- me aufgrund von Verhaltensmustern ( S. 109). Molekularbiologische Stamm- bäume basieren auf dem Vergleich von DNA-Basen- oder Aminosäuresequen- zen. Ein Beispiel für so einen Stammbaum ist der Cytochrom - c -Stammbaum. Cytochrom-c-Analysen liefern Daten für Stammbäume Das Cytochrom c der Säuger unterscheidet sich von dem der Vögel durch 12 Aminosäuren. Ihre letzten gemeinsamen Vorfahren lebten vor 280 Mio. Jahren. Daraus lässt sich schließen, dass durchschnittlich alle 23 Mio. Jahre eine Muta- tion, die zum Austausch einer Aminosäure führte, stattfand. Zwischen dem Cytochrom c der Säuger und der Amphibien gibt es 17 Unter- schiede in der Aminosäuresequenz. Ihre gemeinsame Abstammungslinie endete vor rund 400 Mio. Jahren. Errechnet man den Mittelwert, kommt man auch hier, gerundet, auf etwa 23 Mio. Jahre. Das Tempo evolutionärer Änderungen (im Beispiel die Änderung der Aminosäuresequenz) wird als Evolutionsrate bezeichnet. Für Cytochrom c beträgt sie rund 23 Mio. Jahre pro veränderter Aminosäure. Abb. 59 zeigt einen stark vereinfachten Cytochrom-c- Stammbaum der Lebewesen. Die Verzweigungspunkte symbolisieren den letz- ten gemeinsamen Vorfahren, die Zahlen geben an, durch wie viele Aminosäu- ren sich die Cytochrommoleküle (von Punkt zu Punkt) unterscheiden.  phylogenetische Stammbäume bildliche Darstellung der mutmaßlichen Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Organismengruppen im Laufe der Evolu- tion  Stammbaum der Pferde Die ältesten, heute bekannten Vorfahren unserer heutigen Pferde lebten vor un­ gefähr 60 Mio. Jahren. Das Gebiss der etwa fuchsgroßen Waldbewohner deutet darauf hin, dass sie sich von Laub und Früchten ernährten (Backenzähne besit­ zen Höcker, zwischen denen keine harte Nahrung zerrieben werden konnte). Die Vorderbeine dieser Urpferde waren mit vier, die Hinterbeine mit drei behuften Zehen ausgestattet. Durch Spreizen der Zehen wurde ein tiefes Einsinken in den weichen Waldboden verhindert. Eine Kli­ maänderung von feuchtwarm nach kalt und trocken bewirkte auch eine Verände­ rung der Vegetation, riesige Grasländer entstanden. Diejenigen Tiere, die die ge­ eignetste Kombination von Eigenschaf­ ten aufwiesen, um mit dieser veränder­ ten Umwelt fertig zu werden, setzten sich nun durch (natürliche Selektion): Die Pferde entwickelten sich zu Gras fressenden (harte Schmelzfalten der Ba­ ckenzähne wirken wie eine Raspel), schnell laufenden, einhufigen Steppen­ bewohnern. Die Umbildung der Beine zu einzehigen Laufbeinen erfolgte als An­ passung an die neue Lebensweise. Die Evolution vom Urpferd ( Hyracotherium ) bis zum modernen Pferd ( Equus ) er­ scheint hier zielgerichtet. Schließt man allerdings alle heute bekannten fossilen Pferde ein, lässt sich erkennen, dass die Gattung Equus einfach nur der einzige überlebende Trieb eines reich verzweig­ ten Stammbaumes ist, der eher einem Strauch ähnelt.  Cytochrom c ist ein Elektronen übertragendes Protein der Zellatmung und kommt praktisch in allen Lebewesen vor 1. Erläutere, wie die Anzahl der unterschiedlichen Aminosäuren zB im Cytochrom c als so genannte „molekulare Uhr“ dient und welcher Zusammenhang besteht zwischen der Zahl der abweichenden Aminosäuren zweier Organis- mengruppen und ihres Verwandtschaftsgrades. 2. Seymouria , vermutlich die Übergangsform zwischen Amphibien und Reptilien, lebte vor etwa 280 Millionen Jahren. Durch wie viele Aminosäuren unterscheidet sich wahrscheinlich demnach das Cytochrom c der heute lebenden Reptilien von dem von Seymouria ? 3. Ermittle mit Hilfe Abb. 34, wann sich ungefähr die Pflanzen- von der Tierlinie getrennt hat. Selbst aktiv! 34  Cytochrom-c-Stammbaum; für die Zahl der veränderten Aminosäuren sind alle Zahlen auf dem Weg von einem zum anderen Lebewesen zu summieren. 1 1 2 3 3 11 3,5 5,5 5 5 7 5 10 8 14 15 12 19,5 25 13 17 34 Cytochrom c 2 4 1 1 Bäckerhefe Weizen Fliege Motte Ente Huhn Affe Mensch Pinguin Tunfisch Schildkröte Hefe ( Candida ) Brotschimmel Schimpanse Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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