Begegnungen mit der Natur 6, Schulbuch

163 Verhaltensweisen von Tier und Mensch Eine innere Aggressionsbereitschaft beim Menschen ist umstritten Es ist umstritten, ob menschliches Aggressionsverhalten angeboren oder erlernt ist. Aggressives Verhalten ist weltweit zu beobachten, was dafür sprechen würde, dass es angeboren ist. Allerdings gibt es aber auch Kulturen, die Aggressionen nur harmlos austragen („ Ventilsitten “) und deshalb sehr friedlich zusammen- leben. Auch beim Menschen gibt es aggressionshemmende Mechanismen Glücklicherweise gibt es auch beim Menschen eine Vielzahl von aggressions- hemmenden Mechanismen und Befriedungsgesten. Diese funktionieren zumeist jedoch am besten bei persönlicher Bekanntschaft oder unmittelba- rem Augenkontakt . Bereits eine spiegelnde Windschutzscheibe oder eine Son- nenbrille können den Sichtkontakt unterbinden, das Gefühl der Anonymität erzeugen und so ungehemmte Aggressionen provozieren (zB zwei Autolenker bzw. Autolenkerinnen, die einander rücksichtslos Vorrang oder Parklücke weg- genommen haben). Eine Tötungshemmung ist beim Menschen kaum ausgeprägt. Im Lauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung war dies nicht notwendig, denn die Gefahr, dass ein überlegener Gegner seinen Kontrahenten durch Würgen, Bei- ßen und Kratzen im Kampf umbringen konnte, war gering. Zudem blieb den Unterlegenen genügend Zeit für aggressionshemmende Verhaltensweisen (zB Demutsgebärden). Die Erfindung von Waffen stellt eine Störung dieser Entwicklung dar. Nach Eibl-Eibesfeldt sind viele soziale Verhaltenselemente und mimische Aus- drucksbewegungen angeboren Eibl-Eibesfeldt ( S. 150) hat bei Verhaltensstudien an Menschen in verschie- denen Kulturen Übereinstimmungen in den sozialen Verhaltensweisen be- obachtet. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Verhaltenselemente wie beispielsweise das Liebkosen der Kinder, Schmollen (eine Form der Beschwichtigung) und diverse Drohgebärden angeboren sind. Auch der „Augengruß“, ein Verhalten des Augenöffnens und Brauenhebens, ist als freundliche Ausdrucksbewegung weltweit verbreitet ( Abb. 46 und 47). Ebenso werden mimische Ausdrucksbewegungen wie Lachen, Weinen, Brau- en senken und Stirnrunzeln zwischen Menschen aller Völker und Kulturen ver- standen. 44 Beim Tanzen werden gruppeninterne Spannungen und Aggressionen abgebaut (Tanz als Ventilsitte auf Papua-Neuguinea) 45 Die Sonnenbrille erzeugt Anonymität. 46 Der Augengruß … 47 … wird interkulturell verstanden. „Ventilsitten” Sitten und Gebräuche, die helfen ange- staute soziale Spannungen zu lösen und Störungen der gesellschaftlichen Ord- nung zu vermeiden (zB Tanz, Kampf- spiele) Augenkontakt Menschen sind augenorientierte Lebe- wesen. Viele soziale Beschwichtigungs- gesten werden über Augenkontakt ver- mittelt bzw. empfangen. Drohgebärden Eibl-Eibesfeldt fand beispielsweise he- raus, dass ein etwas zu langer Blickkon- takt (Fixieren, Anstarren) zwischen Män- nern als aggressiv empfunden wird (das Fixieren des anderen war in Offiziers- kreisen des 19. Jahrhunderts mitunter ein Duellierungsgrund) mimische Ausdrucksbewegungen Den Beweis, dass viele mimische Aus- drucksbewegungen (zB Lachen) angebo- ren sind, erbrachte Eibl-Eibesfeldt auch durch Beobachtung taubblind gebore- ner Menschen. Sie zeigen ebenso Lachen oder Weinen auf jeweils positive oder negative (Tast)Reize, wie Menschen mit intaktem Gehör- und Sehsinn. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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