Begegnungen mit der Natur 6, Schulbuch
156 Verhaltensbiologie Erlerntes Verhalten Angeborenes Verhalten ( S. 153 ff) regelt Grundverhaltensweisen wie Nah- rungssuche, Sexualverhalten und Aufzucht der Jungen. Zudem ist angebore- nes Verhalten wichtig für die Sicherheit. Das genau aufeinander abgestimmte angeborene (arttypische) Verhalten gewährleistet den Tieren in einer gleich- bleibenden Umwelt, erfolgreich bestehen zu können. Ändern sich allerdings die Umweltbedingungen, brauchen die Lebewesen, um sich anpassen zu können, auch die Fähigkeit zum Lernen. So sind die Verbindungen zwischen einzelnen Gehirnzellen nicht starr und fix. Sie können in Abhängigkeit von den Erfordernissen umgebaut werden. Die Kognitionsbiologie beschäftigt sich mit den verschiedenen Formen des Lernens. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, experimentell herauszufinden, wie sich die geistigen (kognitiven) Fähigkeiten der Tiere im Laufe ihrer Stam- mesgeschichte entwickelt haben, was ihre Gedächtnisleistungen sind, welche Problemlösungsstrategien sie entwickelt haben etc. Lernen kann, muss aber nicht lebensnotwendig sein Lernen kann entweder obligatorisch , also lebensnotwendig, sein (wie zB Prä- gung oder Lernen im Bereich der Feindvermeidung und Nahrungsaufnahme) oder fakultativ , also nicht unbedingt lebensnotwendig. Informationsaufnahme ▶ Informationsspeicherung ▶ Informationsabruf ▶ Verhaltensänderung 24 Der Prozess des Lernens Die Prägung ist eine sehr einfache Form des Lernens Die Prägung ist ein Lernprozess der während einer sensiblen Phase (oft wäh- rend der ersten Lebenstage) passiert und ein sehr stabiles (irreversibles) Lern- ergebnis bringt. Im Falle der Nachlaufprägung ( S. 149) wird das Junge auf ein spezifisches Individuum (im Normalfall die Mutter) geprägt, dem es über einige Zeit über- all hin folgt. Da der Auslösereiz relativ unspezifisch ist, sind Fehlprägungen möglich ( S. 151). Die sexuelle Prägung ( S. 152) auf den künftigen Sexualpartner erfolgt meis- tens etwas später in der Entwicklung. Kognitionsbiologie Wissenschaft, die die geistigen Prozesse, die Tieren und Menschen zugrunde lie- gen, erforscht cognoscere (lat.) = erkennen, erfahren obligatorisch obligates (lat.) = verbunden, verpflichtet fakultativ facultas (lat.) = Möglichkeit, Fähigkeit Prägung Die Bezeichnung hat Konrad Lorenz des- halb gewählt, weil diese Form des Ler- nens so schnell und unveränderlich vor sich geht wie das Prägen einer Münze. Nachlaufprägung besonders bei nestflüchtenden Vögeln wie Enten oder Gänsen zu beobachten Fehlprägungen unnatürliche Prägungen sexuelle Prägung Weiblichen Enten ist das Inbild des Ge- schlechtspartners angeboren (angebore- nes Wissen um die Signalfarben). Die Männchen hingegen müssen das Bild der künftigen Partnerin erst erlernen – im Normalfall am Aussehen der Mutter. Ein Stockentenerpel und eine weibliche Stockente werden von einem Spießentenweibchen auf- gezogen. Stelle folgende Vermu- tungen an und begründe: wen wird der Erpel später einmal anbalzen? Wen wird das Stocken- tenweibchen vermutlich einmal als Geschlechtspartner akzeptie- ren, wenn es gleichzeitig von einem Stockenten- und einem Spießentenerpel angebalzt wird? Selbst aktiv! In England beobachteten Ornithologen Blaumeisen dabei, wie sie die Alufoli- enverschlüsse von Milchflaschen, die der Milchmann vor die Türen gestellt hatte, aufpickten und dabei zufällig die Rahmschicht darunter entdeckten. Die Vögel wiederholten ihr Verhalten, um an den Rahm zu kommen – sie hat- ten durch Erfolg gelernt ( S. 157). Nach kurzer Zeit beherrschten die Blau- meisen des ganzen Distrikts diese Methode (soziales Lernen, Traditionsbil- dung in der Population; S. 158). Handelt es sich bei diesem Beispiel um obligatorisches oder fakultatives Ler- nen? Begründe deine Annahme. Selbst aktiv! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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