Begegnungen mit der Natur 6, Schulbuch
153 Verhaltensweisen von Tier und Mensch Formen angeborenen Verhaltens Es sind verschiedene Formen angeborenen Verhaltens (Verhalten, das im Erb- gut verankert ist) im Tierreich bekannt. Automatismen werden ohne Reizeinwirkung ausgelöst Automatismen sind Verhaltensweisen, die selbsttätig (in den meisten Fällen rhythmisch) – ohne äußere Reizeinwirkung vom Zentralnervensystem ausge- löst – ablaufen. Beispiele dafür sind die Flossenbewegung bei Fischen oder der Flügelschlag bei Vögeln. Unbedingte Reflexe sind Reizreaktionen Unbedingte Reflexe ( S. 85) sind angeborene Reaktionen auf Reize. Sie sind unwillkürlich, das heißt, dass sie nicht unterdrückt werden können. Beispiele hierfür sind die Erweiterung bzw. Verengung der Pupille bei wechselnder Beleuchtung (Pupillarreflex), der Lidschluss-, der Schluck-, Nies-, Husten-, Brech- und Kniesehnenreflex ( S. 85). Unbedingte Reflexe haben sich im Laufe der Evolution als Anpassung an bestimmte Lebensbedingungen herausgebildet. Das rasche Reagieren stellt für die Lebewesen einen Schutzmechanismus dar, der mitunter überlebens- notwendig ist. Instinktverhalten braucht eine innere Bereitschaft Unter Instinktverhalten (Instinkthandlungen) versteht man angeborene kom- plexe, zweck- und zielgerichtete Verhaltensweisen, die sich aus mehreren Teilhandlungen, den Instinktbewegungen , zusammensetzen. Wie bei den Reflexen benötigen auch Instinktbewegungen einen auslösenden Reiz. Im Unterschied zu den Reflexen löst der Reiz aber nur dann eine Handlung aus, wenn das Tier durch eigenen Antrieb dazu bereit ist ( innere Bereitschaft , ursprüngl. auch als Trieb bezeichnet). Meistens lassen sich beim Instinktverhalten drei Phasen unterscheiden: Es beginnt mit dem Appetenzverhalten , der Suche nach dem auslösenden Reiz. Voraussetzung dafür ist die innere Bereitschaft des Lebewesens. So erfolgt beispielsweise die Suche nach geeigneter Beute (auslösender Reiz) nur dann, wenn der Beutegreifer Hunger hat. Wird der gesuchte Reiz gefunden, erfolgt die Orientierungsbewegung , eine Ausrichtung auf das Objekt hin. Im Fall des Beutegreifers wäre es zB die Hin- wendung und Annäherung an die Beute. Zuletzt folgt die Endhandlung , im genannten Beispiel wäre das der Beutefang. Lorenz und Tinbergen postulierten die Instinkttheorie Die Theorie dazu, die Instinkttheorie, postulierte Konrad Lorenz gemeinsam mit seinem Freund Nikolaas Tinbergen Ende der 1930er-Jahre, als sie eine Graugans aufzogen. Grundstein für ihre Theorie war ein bestimmtes Verhal- tensmuster, das sie beim Brüten beobachten konnten – die Eirollbewegung. Bei genauerer Betrachtung erkannten sie, dass die Eirollbewegung aus zwei Teilhandlungen besteht: Das Ei außerhalb des Nestes löst Orientierungsbewegungen aus (das Ei wird fixiert, ein paar Schritte nach vorne, Vorstrecken des Halses, Ei unter den Schnabel bringen, seitliche, ausgleichende Balancierbewegungen). Beginnt die Gans dem Einrollen, läuft der Vorgang bis zu Ende ab, dh. die Bewegung ist nicht mehr aufzuhalten. Dieser Teil der Eirollhandlung wird als Endhandlung bezeichnet. Nimmt man einer Gans, die bereits mit dem Einrollen begonnen hat, das Ei behutsam fort, läuft die Bewegung trotzdem leer zu Ende. Automatismen automatos (griech.) = selbst bewegend unbedingte Reflexe unbedingt = unabhängig Instinktbewegungen werden auch Erbkoordinationen oder Fi- xed Action Pattern genannt innere Bereitschaft zB Durst, Bereitschaft zur Fortpflanzung Appetenzverhalten appetentia (lat.) = das Begehren Orientierungsbewegung gerichtete Bewegung, wird auch als Ta- xis bezeichnet; taxis (griech.) = ordnen, regeln Endhandlung hat diese begonnen, kann sie nicht mehr gestoppt werden. Mit der Endhandlung sinkt die innere Bereitschaft wieder. Eirollbewegung Gerät ein Ei aus dem Nest, rollt die Gans es geschickt zurück. Sie streckt Hals und Schnabel nach vorne, bringt das Ei unter die Schnabelunterseite und rollt es durch Einkrümmen des Halses (und durch Rückwärtsgehen) in das Nest zu- rück. 1. Informiere dich über das Beu- tefangverhalten der Erdkröte als Beispiel eines Instinktver- haltens. Recherchiere in die- sem Zusammenhang, welcher Teil der stereotype Teil ist, der unaufhaltbar bis zum Ende abläuft. 2. Nenne die Voraussetzung für ihr Beutefangverhalten. 3. Nicht immer lassen sich beim Instinktverhalten drei Phasen unterscheiden, so etwa bei der Eirollbewegung. Erörtere, wel- che Phase hier fehlt. Selbst aktiv! 16 Erdkröte ( Bufo bufo ) Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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