Begegnungen mit der Natur 5, Schulbuch

48 Stoffwechselphysiologie Gärungsprozesse verlaufen ohne Sauerstoff Es gibt Organismen, die unter anaeroben Bedingungen die Fähigkeit zum Abbau organischer Stoffe zur Energiebedarfsdeckung besitzen. Bei vielen Mikroorganismen ( S. 52) geschieht dies durch Gärung. Die bekanntesten Gärungsarten sind die Milchsäuregärung und die alkoholische Gärung . Bei beiden läuft zunächst, wie bei der Zellatmung, die Glykolyse ab ( S. 46). In der Folge wird die Brenztraubensäure jedoch mangels Sauerstoff nicht zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut, sondern − je nachdem welche Enzyme in den Zellen vorhanden sind – zu Milchsäure beziehungsweise Ethanol . Aufgrund des unvollständigen Abbaus ist die Energieausbeute bei Gärungen geringer als bei der Zellatmung. Dafür sind die organischen End­ produkte noch energiereich. Gärungsprozesse laufen nur im Zellplasma ab. Milchsäuregärung findet auch in unserem Körper statt Milchsäuregärung betreiben vor allem Milchsäurebakterien ( S. 71 ff). Die Fähigkeit zum Glucoseabbau unter Sauerstoffabschluss besitzen aber auch Zellen unseres Körpers. Zum Beispiel betreiben unsere Muskelzellen bei höherer Beanspruchung Milchsäuregärung, um schneller ATP (Energie!) bereitstellen zu können. Da die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) keine Mitochondrien besitzen, decken sie ihren Energiebedarf ausschließlich durch Milchsäuregärung. Nervenzellen fehlt allerdings das entsprechende Enzym zur Milchsäurebil­ dung. Deshalb sterben sie bei Sauerstoffmangel als erste ab. Hefepilze können Glucose zu Alkohol vergären Verschiedene Hefepilzarten ( S. 64) besitzen die Fähigkeit zum Vergären von Traubenzucker zu Ethanol. Dies tun sie jedoch nur, wenn kein Sauerstoff vor­ handen ist. Unter aeroben Bedingungen betreiben sie Zellatmung. Organismen, die wie die Hefen sowohl unter aeroben als auch anaeroben Verhältnissen ihren Energiebedarf decken können, werden als fakultative Anaerobier bezeichnet. Neben den Hefen gibt es auch Bakterienarten, die alkoholische Gärung betrei­ ben. Obligate Anaerobier brauchen anaerobe Bedingungen Obligate Anaerobier können Traubenzucker nur unter Sauerstoffabschluss abbauen. Ein Beispiel hierfür ist das Bakterium Clostridium botulinum , das unter anaeroben Bedingungen Glucose zu Buttersäure vergärt. Die Essigsäuregärung verbraucht Sauerstoff Essigsäurebakterien ( S. 74) bauen unter Aufnahme von Sauerstoff Ethanol zu Ethansäure (Essigsäure; CH 3 COOH) ab. Ein vollständiger Abbau zu Kohlen­ stoffdioxid und Wasser kann nicht stattfinden, da den Bakterien dafür nötige Enzyme fehlen. Da bei der Umsetzung Sauerstoff benötigt wird, ist die Bezeichnung „Essigsäuregärung“ eigentlich falsch.  anaerob unter Ausschluss von Sauerstoff an- (griech.) = ohne, aer (griech.) = Luft  Milchsäure-, alkoholische Gärung Die unterschiedlichen Gärungsprozesse werden nach ihren jeweiligen Endpro- dukten benannt.  Ethanol In der Umgangssprache wird synonym für den u. a. in alkoholischen Getränken enthaltenen Alkohol Ethanol (C 2 H 5 OH) nur der Begriff Alkohol verwendet. Aus diesem Grund wird auch die Ethanol- Gärung meistens als alkoholische Gärung bezeichnet.  aerob unter Anwesenheit von Sauerstoff  fakultativ wahlweise facultas (lat.) = Möglichkeit  obligat notwendig, üblich obligare (lat.) = verpflichten Clostridium botulinum bildet bei seinen Stoffwechselvorgängen ein tödliches Gift (Botulinumtoxin) 31  Reaktionsgleichung der Milchsäuregärung (oben) und der alkoholischen Gärung (unten) C 6 H 12 O 6 2 C 2 H 4 OHCOOH Milchsäure C 6 H 12 O 6 2 C 2 H 5 OH + 2 CO 2 Ethanol 1. Selbst wenn ausreichend Subs­ trat (Traubenzucker) und genü­ gend Hefepilze vorhanden sind, stoppt die Gärung im Weinfass bei einem Alkohol­ gehalt von etwa 15%. Finde eine Erklärung dafür. 2. Durch Gärung gewinnt man maximal 15%igen Alkohol. Es gibt aber auch höherprozenti­ gen Alkohol. Recherchiere den dafür notwendigen Vorgang. 3. Warum wird Wein, wenn er ei­ nige Tage offen und ungekühlt steht, sauer? Begründe deine Vermutung. Selbst aktiv! Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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