27 Die Diskussionen, Demonstrationen und die Abstimmung rund um den geplanten Bau des Atomkraftwerkes Zwentendorf prägen 1978 die politischen Debatten in Österreich. Auch die Diskussionen um die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln werden fortgesetzt und Wien bekommt eine U-Bahn. Hinweise zu Methodik/Didaktik: Für die Zeitspanne von 1918 bis 1978 bietet sich die Arbeit mit dem Zeitstreifen an. Informationen zu den Seiten 50 und 51: Zum Inhalt: Österreich präsentierte sich nach 1945 als kollektives Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands. Gestützt wurde diese Geschichtsinterpretation durch die Moskauer Deklaration vom 1. November 1943, in der die Wiederherstellung eines freien und unabhängigen Österreich als Ziel der Alliierten bekundet wird. Österreich wurde darin als das „erste Opfer der typischen Angriffspolitik Hitlers“ bezeichnet, aber auch für seine Mitbeteiligung am Krieg auf deutscher Seite verantwortlich gemacht. Die erfolgreiche Durchsetzung der Opfertheorie brachte Österreich 1955 den ersehnten Staatsvertrag und avancierte zum Gründungsmythos der Zweiten Republik. Die „Verantwortungs- und Mittäterklausel“ wurde noch am Vorabend der Unterzeichnung aus dem Staatsvertrag gestrichen und damit der Vergessenheit überantwortet. Nach außen wurde der österreichische Widerstand als der in der Moskauer Deklaration geforderte Beitrag zur Befreiung betont, im nationalen Kontext hingegen musste der Widerstand und Antifaschismus um seine Anerkennung ringen. Die Kriegsgeneration verweigerte auch die Auseinandersetzung mit dem dunklen Kapitel ihrer eigenen Geschichte, und nicht selten wurden die Kriegsschäden und -leiden der österreichischen Zivilbevölkerung und das Leiden der Jüdinnen und Juden in der Shoah auf eine Ebene gestellt. Erst Mitte der 1980-er Jahre kam es, ausgelöst durch die Waldheim-Affäre, zu einer kritischen Auseinandersetzung und in der Folge zu einer Entmythologisierung der Opferdoktrin. Als der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky bei einem Israel-Besuch 1993 im Namen der Republik die Opfer der österreichischen Täterinnen und Täter um Verzeihung bat, signalisierte er damit nicht nur den Abschied von den politischen Mythen der Nachkriegszeit, sondern auch die Orientierung an einem transnationalen europäischen Geschichtsbewusstsein, das das Bekenntnis zur Mitverantwortung am Holocaust als politischen Auftrag versteht, entschieden gegen Rassismus und Rechtsextremismus aufzutreten. Für heftige Debatten sorgte deshalb das Interview mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, das am 9. November 2000, dem Gedenktag an die Reichspogromnacht, in der israelischen Tageszeitung „Jerusalem Post“ erschienen ist. Mit den Worten „Sie nahmen Österreich mit Gewalt“ rückte Schüssel noch einmal das Schicksal Österreichs als erstes Opfer Hitler-Deutschlands in den Vordergrund der Geschichtsbetrachtung. Zur moralischen Verantwortung Österreichs an den NS-Verbrechen bekannte sich Schüssel erst auf Nachfrage. Hinweise zu Methodik/Didaktik: Der Gegenwartsbezug kann mit der Bearbeitung der Thematik der Neonazis hergestellt werden. Informationen zu den Seiten 52 und 53: Zum Inhalt: Bis 1946 bestanden überhaupt keine klaren Vorstellungen, ob und wie das durch die Nationalsozialisten geraubte Vermögen zurückgegeben werden sollte. SPÖ und KPÖ schlugen einen „Restitutionsfonds“ vor: Nur hilfsbedürftige Opfer des Nationalsozialismus hätten Zahlungen erhalten sollen, die ursprünglichen Eigentümerinnen und Eigentümer hätten demnach nichts mehr zurückbekommen sollen. Diese Vorschläge stießen nicht zuletzt auch auf den Widerstand der Westalliierten. Daher entschied man sich im Frühjahr 1946 zur Rückstellung entzogener Vermögen an die geschädigten Eigentümerinnen und Eigentümer. Da aber Österreich unter Berufung auf die Moskauer Deklaration jede Mitverantwortung an den NS-Verbrechen von sich wies, blieb die Rückstellung auf die Rückgabe noch vorhandenen und auffindbaren Eigentums beschränkt. Entschädigungszahlungen darüber hinaus wurden erst nach dem Staatsvertrag, wiederum auf Druck der Westalliierten, geleistet. Bis 1949 wurden zwar mehrere Rückstellungsgesetze beschlossen, doch sahen diese die Rückgabe von enteignetem Vermögen nur in bestimmten Fällen vor Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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