Zeitbilder 3, Begleitband für Lehrerinnen und Lehrer

54 Nun breitet sich vor ihnen eine derartige Pracht aus, dass sich viele am Ziel wähnen. Gold schätzen die Inka schon lange, doch nicht als Zahlungsmittel, sondern zur Herstellung von Kunst- und Kultgegenständen. Nicht nur der vermeintliche Reichtum der Inka fasziniert die Spanier. Sie treffen auf ein straff organisiertes Staatswesen, auf ein hervorragend ausgebautes Straßensystem und auf Siedlungen, die in ihrer Größe und Pracht viele Städte auf der Iberischen Halbinsel übertreffen. In der Inkahauptstadt Cuzco leben beispielsweise mehr als 200.000 Menschen. Doch wie konnte sich in nur relativ kurzer Zeit ein so großes Reich auf dem südamerikanischen Kontinent etablieren? Kinder der Sonne Die Geschichte der Inka beginnt mit einer Legende. Was für das antike Rom die legendären Gründungsväter Romulus und Remus, sind für die Inka die göttlichen Kinder der Sonne: Manco Capac und Mama Occlo. Die Sonne blickte einst voller Mitleid auf das Elend der Menschen. Sie schickte ihre beiden Kinder Manco Capac und Mama Occlo auf die Erde, um eine Herrschaft aus Toleranz, Freundlichkeit und Erkenntnis zu errichten. Sie sollten den Menschen Ackerbau, Viehzucht, Handwerk, Religion und Gesetze bringen. Wo sie ihren goldenen Zauberstab mühelos in den Boden steckten konnten, sollte das Zentrum des neuen Reiches entstehen. So stiegen die beiden Kinder auf die Erde hinab, wanderten von den Ufern des Titicaca-Sees nach Norden und steckten im Tal von Cuzco ihren Stab in den Boden. An dieser Stelle entstand die Hauptstadt der Inka. Manco Capac wird der erste König der Inka, seine Schwester Mama Occlo die königliche Gemahlin. Tatsächlich verlieren sich die Anfänge des Inkareiches im mythischen Dunkel. Historiker datieren jedoch den Beginn der Inkageschichte um das Jahr 1200. Ausdehnung des Machtbereiches Die ersten Generationen der Inka kümmern sich zunächst um den Aufbau des jungen Staates im Tal von Cuzco. Nach und nach werden Völker, die zusammen mit den Inka in dem Tal leben, unterworfen und in den Staat integriert. Erst der fünfte Inkaherrscher Capac Yupanqui führt erste Feldzüge außerhalb des Tals. Mittlerweile sehen sich die Inka gegenüber allen anderen Völkern als überlegen und auserwählt an. Sie bauen ein gut ausgebildetes Berufsheer auf, das die Grundlage für weitere Eroberungsfeldzüge bildet. Doch die Inka sind nicht das einzige Volk, das seinen Machtbereich ausdehnen will. Das Nachbarvolk der Chanca hat eine ähnliche Entwicklung durchlaufen und bedroht im 15. Jahrhundert mit einem 100.000 Mann starken Heer den Staat der Inka. In einer Entscheidungsschlacht gelingt es 1437 dem legendären Pachacuti Yupanqui, die Chanca vernichtend zu schlagen. Die Machtposition der Inka ist gefestigt, der Grundstein für weitere Eroberungen gelegt. Unter Pachacuti Yupanqui und dessen Sohn Tupac Inka Yupanqui nimmt das Reich riesige Ausmaße an. Als Tupac Inka Yupanqui 1493 stirbt, herrschen die Inka über 250 Völker und mehr als neun Millionen Menschen. Ihr Reich erstreckt sich von Nord nach Süd auf einer Länge von 5.000 Kilometern. Die Inka sind auf dem Höhepunkt ihrer Macht angekommen. Straff organisierter Staat Gut 300 Jahre hat es nur gedauert, bis das relativ kleine Volk der Inka das größte Reich, das jemals in Südamerika existierte, errichtet hatten. Nur mit eigenen Ressourcen konnte dieses Reich unmöglich aufrechterhalten werden. Ähnlich wie die Römer waren auch die Inka auf Allianzen mit den unterworfenen Völkern angewiesen. Wer aus einer anderen Kultur stammte und es im Inkareich zu etwas bringen wollte, musste dem neuen Staat seine volle Loyalität erweisen. So konnte man auch als Nicht-Inka in der Verwaltung oder in der Armee Karriere machen. Spanische Eroberer berichteten, dass ihnen das Inkareich wie „aus einem Guss geplant“ vorkam. Tatsächlich waren die Inka Meister der Organisation. Sie bauten die Landwirtschaft planmäßig auf und legten riesige Terrassenfelder an den steilen Hängen der Anden an. Durch Bewässerungskanäle machten sie aus trostlosen Wüstengegenden fruchtbare Oasen. Kunst und Kultur vereinheitlichten sie nach ihren Standards. Dabei „erfanden“ die Inka allerdings nichts neu, sondern bedienten sich der Traditionen anderer Andenvölker, die schon lange vor ihnen existiert hatten. So wie die Römer die Metallverarbeitung von den Etruskern oder die Philosophie von den Griechen übernahmen, entwickelten die Inka die Goldschmiedekunst der Chimú oder die Webkunst der Moche weiter. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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