Zeitbilder 3, Arbeitsheft

55 Zu den Schulbuchseiten 124 bis 127 lopp, damit er ihn wiederfinden konnte. Topthorn war immer noch vor mir, mit hoch erhobenem Kopf, und schlug mit dem Schweif hin und her. Ich spürte frische Kraft in den Beinen und preschte ihm nach. Kavallerist Warren sprach laute Gebe- te, doch als er das Gemetzel um sich herum sah, wurden sie bald zu Flüchen. Nur wenige Pferde erreichten den Draht, darunter Topthorn und ich. Tatsächlich hatte unser Granatfeuer einige Löcher in den Draht gesprengt. Manche von uns fanden einen Weg hindurch, und wir standen endlich vor den feindlichen Gräben. Aber sie waren leer. Das Feuer kam von weiter oben, aus den Bäumen her- aus. Die Schwadron, oder was von ihr übrig war, sammelte sich erneut zum Angriff und galoppierte hoch zum Wald, wo sie auf einen im Gehölz ver- borgenen Stacheldrahtverhau stieß. Einige Pferde konnten nicht mehr gestoppt werden, sie liefen di- rekt in den Draht und verfingen sich, während ihre Reiter fieberhaft versuchten sie wieder herauszu- ziehen. Ich beobachtete, wie ein Kavallerist ent- schlossen abstieg, als ihm klar war, dass sein Pferd in der Falle saß. Er zog sein Gewehr und erschoss das Pferd, ehe er selbst tot über dem Stacheldraht zusammenbrach. Ich wusste sofort, dass es keinen Weg hindurch gab, wir konnten den Draht nur im Sprung nehmen, und als ich Topthorn und Captain Stewart an einer niedrigen Stelle darüberspringen sah, folgte ich ihnen. Nun fanden wir uns endlich inmitten des Feindes. Hinter jedem Baum, aus al- len Gräben rundum, so schien es, kamen sie mit ihren Pickelhauben zum Gegenangriff hervor. Sie stürmten an uns vorbei, ohne auf uns zu achten, bis wir uns von einer ganzen Kompanie Soldaten umringt sahen, deren Gewehre auf uns gerichtet waren. Das dumpfe Krachen der Granaten und das Knat- tern der Gewehre waren schlagartig verstummt. Ich blickte mich nach dem Rest der Schwadron um, doch wir waren allein. Hinter uns galoppierten die reiterlosen Pferde, alles, was von unserer stolzen Kavallerieschwadron übrig geblieben war, zurück zu unseren Gräben und der Hang unter mir war übersät mit Toten und Sterbenden. „Werfen Sie Ihren Säbel weg, Kavallerist“, sagte Captain Stewart, bückte sich im Sattel und ließ sei- nen Säbel zu Boden fallen. „Genug für heute mit dem sinnlosen Gemetzel. Weitermachen hat kei- nen Zweck.“ Er ließ Topthorn im Schritt auf uns zugehen und nahm dann die Zügel an. „Ich habe Ihnen einmal gesagt, wir hätten die besten Pferde der ganzen Schwadron, Kavallerist, und heute ha- ben sie uns gezeigt, dass sie die besten Pferde im ganzen Regiment sind, in der ganzen verdammten Armee – und nicht mal einen Kratzer haben sie ab- bekommen.“ Er saß ab, als die deutschen Soldaten sich näherten, und Kavallerist Warren folgte ihm. Sie standen Seite an Seite und hielten uns an den Zügeln, während die anderen uns umzingelten. Wir blickten zurück den Hang hinunter auf das Schlachtfeld. Ein paar Pferde quälten sich immer noch im Stacheldraht, doch eins nach dem anderen wurde von den vorrückenden deutschen Infante- risten von seinem Elend erlöst, die nun ihre Linie wieder eingenommen hatten. Dies waren die letz- ten Schüsse der Schlacht. „Welche Verschwendung“, sagte der Captain. „Welch ungeheure Verschwendung. Vielleicht verstehen die jetzt, wenn sie das sehen, dass man keine Pferde in den Stacheldraht und ins Maschi- nengewehrfeuer schicken darf. Vielleicht denken sie jetzt noch mal nach.“ Die Soldaten ringsum wirkten misstrauisch und hielten sich auf Distanz. Offenbar wussten sie nicht recht, was sie mit uns anfangen sollten. „Die Pferde, Sir?“, fragte Kavallerist Warren. „Joey und Topthorn, was passiert jetzt mit ihnen?“ „Dasselbe wie mit uns, Kavallerist“, sagte Captain Stewart. „Sie sind Kriegsgefangene, genau wie wir.“ (In: Morpurgo, Michael: Gefährten. Freundschaft überwindet alle Grenzen. Hamburg: Carlsen, 2012, S. 64ff.) Lies die Geschichte von Joey und fasse seine Erzählung zusammen. Unterstreiche zuerst die Stellen im Roman- ausschnitt, an denen die positive Erwartung der Soldaten vor der ersten Schlacht deutlich wird, dann diejenigen, an denen die grausame Realität des Krieges sich abzeichnet. Verwende dafür zwei unterschiedliche Farben. Notiere auf ein Blatt Wörter, die im Zusammen- hang mit dem Thema „moderner Krieg“ stehen (Waffen, Kriegsgeräte, …). Vergleicht eure Ergebnisse und erklärt die Bedeutung der Begriffe. Arbeite nach M1 Modul 4 – Internationale Ordnungen und Konflikte im Wandel Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=