Zeitbilder 4, Schulbuch

Modul 3 – Demokratie in Österreich in historischer Perspektive 63 Vom besetzten Land zum freien Österreich Vier Mächte kontrollieren Österreich Nach der Befreiung war Österreich zehn Jahre lang von den Siegermächten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich besetzt. Sie teilten das Land und auch Wien in vier Besatzungszonen auf. Gemeinsam bildeten ihre höchsten Vertreter den „Alliierten Rat“. Er kontrollierte alle wichtigen politischen Entscheidungen in Österreich; alle vom Parlament beschlossenen Gesetze mussten von ihm genehmigt werden. Österreich als Pfand im Kalten Krieg Die österreichischen Politiker bemühten sich von Anfang an um den Abzug der Besatzungssoldaten und die Anerkennung als unabhängiger Staat. Doch seit dem Beginn des Kalten Krieges (S. 86 f.) waren die Alliierten immer weniger bereit, die Besatzung aufzugeben. Österreich war zum Pfand beider Machtblöcke geworden. Niemand wollte es aus der Hand geben. Der österreichische Außenminister Leopold Figl zeigt den unterschriebenen Staatsvertrag auf dem Balkon des Wiener Belvedere: um ihn die Außenminister Pinay (Frankreich), Dulles (USA), Macmillan (Großbritannien) und Molotow (Sowjetunion). (Foto, Erich Lessing, 15.5.1955) Das Neutralitätsgesetz Q 1. Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhän- gigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen. 2. Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen. (BVG, BGBl. Nr. 211/1955) Staatsvertrag von 1955: Q Art. 1. Wiederherstellung Österreichs als freier und unabhängiger Staat. Art. 4. Verbot einer polit- ischen und wirtschaftlichen Vereinigung mit Deutschland. Art. 7. Rechte der slowen- ischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark: auf Unterricht in der eigenen Sprache, auf die eigene Amtssprache, auf zweisprachige Ortstafeln. Art. 9. Auflösung und Verbot der Tätigkeit nationalsozial- istischer Organisationen; Art. 13. Verbot von Spezial- waffen, wie Atomwaffen, Raketen etc. (BGBl. Nr. 152/1995; gekürzt) Neutralität als Bedingung für den Staatsvertrag Die Sowjetunion wollte ein neutrales Österreich. Sie machte dies zur Bedingung für einen Friedens- bzw. Staatsvertrag. Die USA hätten Österreich lieber in einem westlichen Bündnis gesehen. Sie stimmten schließlich doch einem neutralen Österreich zu. Am 15. Mai 1955 unterzeichneten die Außenminister der vier Alliierten und Österreich den Staatsvertrag im Schloss Belvedere in Wien. Wenige Wochen später löste sich der Alliierte Rat auf, die Besatzungstruppen zogen ab. Neutralitätsgesetz und Nationalfeiertag Am 26. Oktober 1955 beschloss der österreichische Nationalrat einstimmig das „Bundes- verfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs“ – wie es der Sowjetunion versprochen war. In Erinnerung daran begehen wir diesen Tag als Nationalfeiertag. Um die Neutralität notfalls verteidigen zu können, wurde 1955 das österreichische Bundesheer eingerichtet. Österreich – ein neutraler Staat? Seit dem Beitritt zur EU (1995) ist Österreichs Rolle als neutraler Staat umstritten. Im gleichen Jahr trat Österreich der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ bei. Außerdem ist Österreich als EU-Mitglied verpflichtet, im Krisenfall an militärischen Kampfeinsätzen teilzunehmen. Dennoch ist das Neutralitätsgesetz nach wie vor gültig. Da für eine Aufhebung dieses Verfassungsgesetzes eine Zweitdrittelmehrheit im Nationalrat erforderlich wäre, ist eine solche derzeit nicht in Sicht (Stand 2019). Analysiere die beiden Quellentexte. Recherchiere im Internet, welchen Standpunkt die Parteien heute zur Neutralität bzw. zum NATO- Beitritt einnehmen. Arbeite nach M1+A2 1949 1995 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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