Zeitbilder 4, Schulbuch

Modul 1 – Faschismus – Nationalsozialismus – politische Diktaturen 19 Die „Gleichschaltung“ Österreichs Ziel war die rasche, planmäßige und vollständige Eingliederung Österreichs in das nationalsozialistische System Hitler-Deutschlands. Viele wichtigen Stellen wurden mit deutschen Nationalsozialisten besetzt. Presse, Film und Rundfunk wurden „gleich- geschaltet“ und unterstanden dem Reichspropagandaminister Goebbels. Ausplünderung Die großen Goldbestände der österreichischen Nationalbank wurden sofort nach Berlin gebracht. Sie dienten, ebenso wie die Erlöse aus den vielen Betrieben, die in deutsches Eigentum übergingen, der Finanzierung der Aufrüstung. Judenverfolgung Die jüdische Bevölkerung wurde aus der Öffentlichkeit verdrängt. So war es ihr untersagt, öffentliche Parkanlagen, Theater oder Kinos zu besuchen. Jüdische Beamte, Künstler, Ärzte und Wissenschaftler durften ihren Beruf nicht mehr ausüben. Dazu kamen die „Arisierungen“*: Geschäfte, Betriebe und Wohnungen wurden Jüdinnen und Juden weggenommen und an „Arier“ weitergegeben oder billig verkauft. Totalitäres Regime Keine Gnade kannten die Nationalsozialisten mit vermeintlichen oder wirklichen Gegnerinnen und Gegnern: Zehntausende Österreicherinnen und Österreicher verschiedenster politischer Richtungen wurden von der „Gestapo“ verhaftet und in Konzentrationslager gebracht. Das „Heimtückegesetz“ (S. 14) verbot jede Kritik an der Regierung oder der Partei. Schon das Erzählen eines politischen Witzes oder das Hören eines ausländischen Radiosenders konnte im Gefängnis enden. Auf das Verteilen von Flugblättern, deren Inhalte sich gegen die Terrorherrschaft oder den Krieg richteten, stand die Todesstrafe. Es gab aber auch Menschen in Österreich, die Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten. „Seit Sonntag ist herrliches Hitler-Wetter“: Aus dem Tagebuch der Lehrerin und Hitler-Anhängerin Karola V. aus Zell am See Q 11. März 1938: (…) Alle gingen hinunter in die Stadt. Am Post- platz waren alle Nazi und wir begrüßten uns mit „Heil Hitler“. Kamen erst um ein Uhr ins Bett, doch konnten wir lange vor Freude nicht einschlafen. 12. März 1938: (…). Alle Landes- und Bezirkshauptleute sind ihres Amtes enthoben. (…) Um acht Uhr ging der Fackelzug los, die Schule mit den Lehrern, SA und SS, Frauenschaft, Bund deutscher Mädchen und eine Menge anderer Leute. Fast ganz Zell war auf den Beinen. Mit „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“-Rufen zogen wir durch die beflaggte Stadt. 14. März 1938: Heute kam Frau J. mit der herrlichen Nachricht: Der Anschluss ist bereits vollzogen! Wir waren ganz sprachlos vor Freude. Am Vormittag kam eine Schar Flugzeuge, die kühne Schleifen über den See und die Stadt zogen. Am Nachmittag wird Hitler in Wien sprechen. Viele Juden wollten bereits die Stadt verlassen, doch wurde ihnen das Geld vorher abgenommen. Alle Bezirksschulinspektoren mit Ausnahme von P. wurden enthoben. 15. März 1938: Seit Sonntag ist herrliches „Hitler-Wetter“. Vormittags sprach Hitler auf dem Heldenplatz, Nachmittag war große Truppenparade. (In: Salzburger Nachrichten, 9.3.2013) Paula Preis, geboren 1920, erzählte in einem Interview mit Hugo Portisch Q Ich war auch dort, aber keineswegs freiwillig. Als kaufmännische Ange- stellte der Firma Gerngroß erlebte ich diese Sache so: Das Kaufhaus wurde geschlossen, das Personal musste in der Lindengasse Aufstellung nehmen, und dann wurden wir von SA-Leuten hinunter zum Heldenplatz gebracht, ein Ausscheren war nicht möglich! Auch andere Betriebe wie Herzmansky oder die Optischen Werke Reichert mussten geschlossen antreten. Die Menschenmenge war durchsetzt von Uniformierten, man musste die Tiraden Adolfs mit lautem Heil- geschrei und erhobener Hand unter Beobachtung bejubeln. Es waren gewiss sehr viele begeisterte Menschen darunter, aber wirklich nicht alle. Dazu gehörte auch ich und viele meiner Kollegen. (In: Die Presse, 14.3.2008) Vergleiche die drei Zeitzeugenberichte zum „Anschluss“ Österreichs. Arbeite Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Erörtere mögliche Gründe für die unterschiedlichen Wahrnehmungen. Arbeite nach M1+M2 Diskutiert in der Klasse: Was können wir unter einer solchen Regierung tun, wenn wir ihre Ansichten und Maßnahmen nicht teilen? Arbeite nach A2 1938 1945 Nur zu Prüfzweck n – Eigentum des Verlags öbv

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