Zeitbilder 3, Schulbuch

Modul 3 – Diversität: Geschlecht – Ethnie –Klasse 65 Die Bettgeher  20 Jahre später lebten manche Familien bereits in einer eigenen Werkswohnung. Auch wenn sie diese mit anderen teilen mussten, galt das bereits als großer Fortschritt. Wegen der Wohnungsknappheit waren die Mietzinse in den Städten sehr hoch. Sie betrugen bis zu drei Viertel des Lohnes. Deshalb vermieteten viele Arbeiterfamilien innerhalb ihres kleinen Wohnraums auch noch Betten an Untermieter, an so genannte Bettgeher. Wer ein Bett für sich allein nicht zahlen konnte, teilte es mit einem anderen, manchmal auch fremden Menschen. Wenn der eine von der 12-stündigen Nachtschicht nach Hause kam, war das Bett noch warm vom anderen, der bereits auf dem Weg zur 12-stündigen Tagschicht war. Viele Menschen hungern Schlechte Ernährung  Einmal richtig satt werden wünschten sich viele Arbeiterinnen und Arbeiter, vor allem aber deren Kinder. Selten reichte das Einkommen für eine abwechslungsreiche und nahrhafte Kost. In der Früh gab es meist Zichorien-* oder Feigenkaffee und ein Stück Brot, in den ländlichen Gegenden häufig eine „Brennsuppe“ aus Hafer- oder Maismehl. Mus und Brei waren weit verbreitet, zu den wichtigsten Nahrungsmitteln zählten Mais und Kartoffeln. Sie wurden als Püree oder Sterz* zubereitet. Im Sommer gab es auch Gemüse, meist dick eingebrannt: Kohl, Rüben, Kraut und Bohnen. Abends wurden normalerweise zuerst die Reste des Mittagessens verzehrt. Fleisch gab es selten, vielleicht an Sonn- und Feiertagen. Und da langte zunächst der Familienvater zu. Für die Frau und die Kinder blieb meist nicht mehr viel übrig. Sie mussten ihren Kalorienbedarf mit Brot und Zucker decken – dementsprechend schlecht war daher auch oft der Zustand der Zähne. Wer sich nicht einmal das Zuckerbrot leisten konnte, musste sich mit einer Wassersuppe begnügen. Der Suppenwürfel  Er kam gegen Ende des 19. Jh. auf den Markt und war für viele Arbeiterhaushalte ein hoch geschätztes Nahrungsmittel. Damit konnte die Hausfrau eine Suppe schnell zubereiten, sie war nahrhaft und billig: 5 Heller* (nach heutigemWert etwa 0,15 Euro) kostete 1910 ein „Maggi“- Rindsuppenwürfel, ein Kilo Suppenfleisch jedoch 1 Krone 50 Heller (ca. 4,5 Euro). 1880 1915 Ein Arbeiter erzählt aus seiner Kindheit um 1850 Q Ich vergesse es mein Lebtag nicht – es war an einem harten Winterabend – kein Brot, kein Öl, kein Brennmaterial im Hause! Wir Kinder waren vor Frost in die Betten gekrochen, als die Mutter eintrat, einen halben Laib Brot in der Schürze. Sie verteilte es unter die heißhungrigen Kinder und schickte sich wieder zum Fortgehen an, um nach weiterem Verdienst auszuspähen. Ich bat sie, doch auch etwas zu genießen. „Ich brauche nichts“, sagte sie, „solange ihr hungrig seid.“ – Da entfiel der Bissen meinem Mund, ich kroch mit dem Kopf unter das Deckbett und fing bitterlich an zu weinen. Derartig freudlos war meine Kindheit. (In: A. Lepp, Autobiographische Skizzen) Straßenkinder: Ein Polizist entdeckt auf seiner Streife durch ein Londoner Elendsviertel Straßenkinder und alte Frauen, die einen Platz zum Schlafen gefunden haben. (Illustration von Charles J. Staniland (1838–1916), 1867) Der magische Würfel für Suppen und Soßen: Zwischen 1900 und 1908 führt MAGGI den Suppenwürfel, den Soßenwürfel und schließlich den Fleischbrühwürfel ein. Besonders letzterer wurde ein voller Erfolg. Ungewöhnlich für diese Zeit war die Ein- stellung des Unternehmers: Julius Maggi wollte nicht nur für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets das Beste. Deshalb richtete er unter anderem Kantinen, eine Betriebskrankenkasse sowie Ferienheime für seine Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter ein. (Werbeplakat um 1915) Versetze dich in die Lage eines 13-jährigen Arbeiterkindes Ende des 19. Jh. und erzähle über dein Leben und das deiner Eltern und Geschwister. Nütze dazu die Quellen und Darstellungen auf dieser Doppelseite. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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