Zeitbilder 3, Schulbuch

122 Die Doppelmonarchie und ihr Ende Niederlagen zwingen zu Reformen  Mit der Niederschlagung der Revolution 1848/49 waren die nationalen und liberalen Forderungen gescheitert (S. 98 f.). Sie blieben dennoch weiter bestehen. Unter Kaiser Franz Joseph I. erlitt Österreich zwei schwere Niederlagen: gegen Frankreich und Piemont-Sardinien in Italien bei Solferino (1859) und gegen Preußen bei Königgrätz in Böhmen (1866). Das schwächte die Macht des Kaisers und Reformen waren notwendig. Der Vielvölkerstaat wird zur Doppelmonarchie „Ausgleich“  Zunächst wurden die alten Forderungen der Ungarn nach einem eigenen Staat erfüllt. 1867 kam es zum „Ausgleich“ zwischen dem Kaiser und Ungarn. Franz Joseph anerkannte die Selbstständigkeit Ungarns. Die beiden Staaten Österreich und Ungarn waren nun die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Die beiden Staaten waren durch Franz Joseph als Kaiser von Österreich und König von Ungarn miteinander verbunden (Personalunion). Darüber hinaus waren Außenpolitik, Heer und Flotte gemeinsame Angelegenheiten (Realunion). Sie wurden von beiden Staaten finanziert und unterstanden direkt dem Kaiser und König. Nationalitätenstreit  Diese Lösung stellte die Ungarn und die Deutschen zufrieden. Denn sie behielten in ihren Reichshälften die Vorrangstellung. Alle anderen Völker fühlten sich aber übergangen und benachteiligt. Diese Enttäuschung führte schließlich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zum Auseinanderfallen der Habsburgermonarchie. Konstitutionelle Monarchie  Eine weitere Reform beendete den österreichischen Absolutismus. Im Dezember 1867 setzte Kaiser Franz Joseph eine Verfassung in Kraft. Diese regelte das öffentliche Leben bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918. Die in ihr enthaltenen Grundrechte der Bürger sind (mit einigen Änderungen) noch heute ein Teil der österreichischen Bundesverfassung. Der Kampf um das Wahlrecht Kurien- und Zensuswahlrecht  Die Verfassung von 1867 sah zwar für alle männlichen Staatsbürger über 24 Jahren das Wahlrecht zum Reichsrat vor, schränkte es jedoch doppelt ein. Es war kein gleiches, sondern ein Kurienwahlrecht: Der Wert der Stimme hing davon ab, welcher der vier Kurien (Wählergruppen) ein Wähler angehörte. Es war aber auch kein allgemeines, sondern ein Zensuswahlrecht: Wählen durfte nur, wer eine bestimmte Summe Steuern im Jahr bezahlte. Damit waren über 90 Prozent der Bevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen. Massenparteien  Es waren vor allem die Sozialdemokratische Partei unter Dr. Victor Adler und die Christlich-soziale Partei unter Dr. Karl Lueger, die das allgemeine und gleiche Wahlrecht forderten. 1907 wurde es schließlich für Männer eingeführt, für Frauen erst nach dem Ersten Weltkrieg. Damit erreichten diese beiden Parteien auch den Durchbruch zu Massenparteien, die bis heute die Politik Österreichs wesentlich bestimmen. Kaiser Franz Joseph I. (1848–1916) im Jahre 1904 mit der ungarischen Königs- und der österreichischen Kaiserkrone (Gemälde von Wilhelm List (1864–1918), 1904, Wien, Österreichische Postsparkasse) Aus dem Gesetz über die bürgerlichen Grundrechte Q Art. 2: Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich. Art 3: Öffentliche Ämter sind für alle Staatsbürger gleich zugänglich. Art. 5: Das Eigentum ist unverletzlich. Art. 6: Jeder Staatsbürger kann an jedem Ort des Staatsgebietes seinen Aufenthalt nehmen. Art. 8: Die Freiheit der Person ist gewährleistet. Art. 9: Das Hausrecht ist unverletzlich. Art. 10: Das Briefgeheimnis darf nicht verletzt werden. Art. 12: Die Staatsbürger haben das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Art. 13: Jedermann hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Die Presse darf nicht unter Zensur gestellt werden. Art. 14: Jedermann hat Glaubens- und Gewissensfreiheit. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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