Vielfach Deutsch 2, Leseheft

Lies den Text. 1 Einst reiste der mächtige Gott des Weines Dionysos nach Kleinasien. Dort feierte er auf den rebenumrankten Höhen seine Feste. Nur der alte Silenos wurde vermisst. Dieser war eingeschlafen und zurückgeblieben. Den schlummernden Alten fanden Bauern. Sie fesselten ihn mit Blumenkränzen und führten ihn zu ihrem König Midas. Ehrfürchtig begrüßte der König den Freund des Gottes, nahm ihn wohl auf und bewirtete ihn zehn Tage und Nächte lang. Am el en Morgen aber brachte der König seinen Gast zurück. Erfreut forderte der Gott den König auf, sich eine Gabe von ihm zu erbitten. Da sprach Midas: „Darf ich wählen, so bewirke, dass alles, was mein Leib berührt, sich in glänzen- des Gold verwandle.“ Der Gott bedauerte, dass er keine bessere Wahl getroœen hatte, doch musste er den Wunsch erfüllen. Froh eilte Midas hinweg. Er machte sogleich einen Versuch, und siehe: Der Zweig, den er von einer Eiche brach, verwandelte sich in Gold. Rasch hob er einen Stein vom Boden, der Stein ward zum funkelnden Goldklumpen. Er brach die reifen Ähren vom Halm und erntete Gold. Das Obst, das er vom Baume p¤ückte, strahlte. Außer sich vor Freude befahl er den Dienern, ihm ein leckeres Mahl zu richten. Bald stand der Tisch bereit, mit köstlichem Braten und weißem Brot bela- den. Er griœ nach dem Brot – es wurde zu steinhartem Metall; er steckte das Fleisch in den Mund – schimmerndes Gold klirrte ihm zwischen den Zähnen; er nahm den Pokal mit dem du enden Wein – ¤üssiges Gold glitt ihm die Kehle hinab. Nun ward ihm klar, welch schreckliches Gut er sich erbeten hatte. So reich und doch so arm, verwünschte er seine Torheit. Da er nicht einmal seinen Hunger und Durst stillen konnte, war ihm ein entsetzlicher Tod gewiss. Verzweifelt schlug er sich mit der Faust auf die Stirn. Und auch sein Antlitz strahlte und funkelte wie Gold. Da hob er voll Angst die Hände zum Himmel empor und ¤ehte: „Gnade, Gnade, Vater Dionysos! Verzeih mir Törichtem und nimm das gleißende Übel von mir!“ Der freundliche Gott erhörte die Bitte des Reuigen. Er löste den Zauber und sprach: „Gehe hin zum Fluss, bis du seine Quelle im Gebirge ¦ndest. Dort, wo das schäumende Wasser aus dem Felsen sprudelt, dort tauche das Haupt in die kühle Flut. So spüle zugleich mit dem Golde deine Schuld ab.“ Midas gehorchte dem göttlichen Befehl und sogleich wich der Zauber von ihm. Die goldschaœende Kra ging auf den Strom über, der seitdem das kostbare Metall in reichem Maße mit sich führt. Seit dieser Zeit hasste Midas allen Reichtum. Er verließ seinen prächtigen Palast und wanderte gern durch Fluren und Wälder, wo er den ländlichen Gott Pan verehrte, dessen Lieblingsaufenthalt schattige Felsengrotten sind. Aber das Herz des Königs blieb töricht wie vorher. 8 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 Midas König Midas hat keinen größeren Wunsch als Gold. Doch Gold kann man nicht essen. Weil er daraus aber keine Lehre zieht, sondern eine zweite Dummheit begeht und gegen einen Gott Partei ergreift, kann er sich der Strafe gewiss sein. 40 Sagen lesen und verstehen 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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