Vielfach Deutsch 2, Leseheft

Lies den Text. Philemon und Baucis Auf einem Hügel steht eine tausendjährige Eiche und dicht neben ihr eine Linde, die ebenso alt ist. Einst kam in diese Gegend Vater Zeus mit seinem Sohn Hermes, der nur den Stab, nicht aber den Flügelhut trug. In menschlicher Gestalt wollten sie die Gast- lichkeit der Menschen erproben. Darum klop€en sie an tausend Türen und baten um ein Dach für die Nacht. Aber die Leute waren hart und selbstsüchtig, sodass die Himm- lischen nirgends Einlass fanden. Da kamen sie an eine kleine Hütte am Ende des Dorfes. Dort wohnte ein glückliches Paar, der redliche Philemon und seine Frau Baucis. Hier hatten sie zusammen eine frohe Jugend durchlebt, hier waren sie zusammen alt geworden. Sie lebten heiter und in herzlicher Liebe verbunden in ihrem Häuschen, das sie allein bewohnten, denn sie waren kinderlos. Als nun die beiden Götter die niedere Pforte gebückt durchschritten, kam ihnen das freundliche Paar mit herzlichem Gruße entgegen. Der alte Mann stellte die Sessel zurecht und bat die Gäste, sich auszuruhen. Das Mütterchen eilte geschä€ig zum Herd, stocherte in der lauen Asche, häu€e trockenes Holz darauf und blies mit schwachem Atem die Flamme an. Dann nahm sie gespaltenes Holz und schob es unter den kleinen Kessel, der über dem Feuer hing. Unterdessen hatte Philemon Kohl aus dem Gärtchen geholt, den seine Frau eifrig zubereitete, dann hob er einen geräucherten Schweins- rücken von der rußigen Decke der Küche (lange hatten sie ihn für eine festliche Gele- genheit aufgespart), schnitt ein Stück ab und warf es ins siedende Wasser. Um die Wartezeit zu verkürzen, unterhielten sie ihre Gäste durch ein Gespräch. Freundlich lächelnd nahmen die Götter an, was ihnen geboten wurde, und während sie die Füße behaglich ins Wasser streckten, richteten die guten Wirte das Bett. Dieses stand mitten in der Stube. Philemon brachte Teppiche, die nur an festlichen Tagen herbeige- holt wurden – auch sie waren alt und verschlissen und dennoch legten die göttlichen Gäste sich gern darauf, um das Mahl zu genießen. Da gab es Oliven, herbstliche Kornel- kirschen, eingemacht in klarem, dicklichem Sa€, auch Rettich, Endivien und vorzügli- chen Käse gab es, dazu Eier, in warmer Asche gekocht. Alles das brachte Baucis auf einem Tonteller, und dazu stellte sie den Wasserkrug. Jetzt aber kamen die warmen Gerichte vom Herd, die Becher wurden zur Seite geschoben, damit Platz war für den Nachtisch. Nüsse, Feigen und runzlige Datteln wurden aufgetragen, auch zwei Körbchen mit P—aumen und du€enden Äpfeln, selbst Trauben fehlten nicht, und in der Mitte der Tafel prangte eine weißliche Honigscheibe. Es schmeckte den Göttern ganz besonders, wenn sie in die guten, freundlichen Gesichter ihrer Gastgeber sahen, aus denen Freige- bigkeit und treuherziger Sinn sprachen. 5 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 Philemon und Baucis Philemon und Baucis, einem alten Ehepaar, ist Gastfreundschaft sehr wichtig. Das gefällt den beiden Göttern, die unerkannt bei ihnen zu Gast sind. Sie belohnen das Paar, dessen größter Wunsch es ist, für immer zusammenzubleiben. Tipp Gastfreundschaft wird auch heute weltweit geschätzt. 38 Sagen lesen und verstehen 4 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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