Mathematik verstehen 8, Schulbuch

58 3 Vert iefung der Integralrechnung Nachfolgende Mathematiker versuchten den In- halt A der Fläche zu ermitteln, die von der Funkti- on f mit f(x) = x k im Intervall [0; 1] festgelegt wird. Bonaventura Cavalieri (1598 – 1674) konnte für k = 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 zeigen, dass A = ​ 1 _ k + 1 ​gilt. Er scheiterte jedoch am allgemeinen Fall k * N *. Pierre de Fermat (1601 –1665) bewies später mit Hilfe trickreicher Überlegungen, dass die Formel für alle k * Q \{–1} gilt. Am Fall k = –1 scheiterte jedoch auch er. Die Indivisibilienmethode Leibniz (1646 – 1716) und andere Mathe- matiker stellten sich eine Fläche aus „un- endlich vielen unend- lich dünnen“ Streifen (Strecken) zusam- mengesetzt vor (sie- he nebenstehende Abbildung). Ebenso stellte man sich einen Körper aus „unendlich vielen un- endlich dünnen“ Schichten zusammengesetzt vor. Diese „unendlich dünnen“ Streifen bzw. Schichten wurden als „Indivisibilien (= Unteilba- re)“ bezeichnet. Obwohl diese Vorstellungen pro- blematisch sind, konnte man mit ihrer Hilfe viele richtige Resultate herleiten. Galileo Galilei (1564 – 1642) begründete mit der Indivisibilien­ methode seine Fallge- setze. Die Geschwin- digkeit v beim freien Fall ist direkt propor­ tional zur Zeit t, also v = g · t, wobei g eine Konstante ist. Galilei dach- te sich die Dreiecksfläche aus Strecken zusam- mengesetzt. Jede Strecke kann als „unendlich dünnes“ Rechteck mit der Höhe v(t) und der „un- endlich kleinen“ Breite dt aufgefasst werden. Sein Flächeninhalt v(t) · dt entspricht der Länge des in dem „unendlich kleinen“ Zeitintervall dt zu- rückgelegten Weges. Die Summe dieser Flächen- inhalte entspricht der Länge s des gesamten in der Zeit t zurückgelegten Weges. Also: s = ​ 1 _ 2 ​· t · v(t) = ​ 1 _ 2 ​· t · (g · t) = ​ g _ 2 ​· ​t​ 2 .​ Cavalieri verglich die von den Funktionen f und g = k · f in [a; b] festgelegten Flächeninhalte A f und A k · f . Er behauptete, dass A k · f k-mal so groß sei wie A f und begrün- dete dies so: Alle zu g gehörigen Strecken sind k-mal so lang wie die entsprechenden zu f gehörigen Strecken. Somit ist auch die Summe der zu g gehörigen Strecken k-mal so groß wie die Summe der der zu f gehörigen Strecken. Von Cavalieris Ergebnissen ist besonders her­ vorzuheben: Prinzip von Cavalieri Es seien ​K​ 1 ​ und ​K​ 2 ​ zwei Körper, die auf einer Ebene E ruhen und die gleiche Hö- he h haben. Werden diese beiden Körper mit Ebenen parallel zu E geschnitten und sind die Inhalte der bei- den Schnittflächen in jeder Höhe z einander gleich, dann haben die Körper gleiches Volumen. Beweis (nach Cavalieri): Die Körper sind aus un- endlich vielen Schnittflächen zusammengesetzt. Da die Inhalte der Schnittflächen in jeder Höhe einander gleich sind, sind auch die Summen der Inhalte der Schnittflächen einander gleich und somit haben die beiden Körper gleiches Volumen.  Heute würden wir den Beweis mit dem Integral führen. Da die Inhalte ​A​ 1 ​(z) und ​A​ 2 ​(z) in jeder Hö- he z einander gleich sind, gilt: V(​K​ 1 ​) = ​ : 0 ​ h ​ A​ 1 ​(z) dz = ​ : 0 ​ h ​ A​ 2 ​(z) dz = V(​K​ 2 )​ ​ a dx f(x) b 0 f g = k · f b 0 a v(t) s t Zeit 0 Geschwindigkeit A 1 (z) A 2 (z) E K 1 K 2 z h 0 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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