Mathematik verstehen 8, Schulbuch

110 6 Testen von Antei len Analogie 2: Indizienprozess bei Gericht Hier entspricht der Nullhypothese ​H​ 0 ​die Unschuldsvermutung zugunsten des Angeklagten und der Alternativhypothese ​H​ 1 ​die Schuldvermutung des Anklägers. An die Stelle einer Stichprobe treten polizeiliche Ermittlungen, bei denen versucht wird, ausreichende Indizien für die Schuld des Angeklagten zu finden. Gelingt dies, wird die Unschuldsvermutung verworfen (und damit die Schuldvermutung akzeptiert). Gelingt dies nicht, kann über die Unschuld (bzw. Schuld) des Ange- klagten nichts ausgesagt werden. (In der Gerichtspraxis führt dies zwar zu einem Freispruch des Angeklagten wegen mangelnder Beweise, das ändert aber nichts daran, dass die Schuldfrage ungeklärt bleibt.) Vergleich von einseitigen und zweiseitigen Anteilstests Es kann vorkommen, dass eine Nullhypothese durch einen einseitigen Anteilstest mit der Signifikanz α verworfen werden kann, nicht jedoch durch einen zweiseitigen Anteilstest mit der Signifikanz α (vgl. Aufgabe 6.30). Warum dies passieren kann, ist aus nebenstehender Abbildung ersichtlich. Ergibt sich in der Stichprobe ein Wert H = k wie eingezeichnet, kann die Nullhypothese im Falle eines einseitigen Tests verworfen werden, im Falle eines zweiseitigen Tests aber nicht. Man hat also beim einseitigen Testen mehr „Chancen“ die Nullhypothese zu verwerfen, als beim zweiseitigen Testen. Damit erhebt sich die Frage: Falls es bei einem zweiseitigen Test nicht ge- lingt, die Nullhypothese zu verwerfen, darf man dann auf einen einseitigen Test umsteigen, in der Hoffnung, dass man die Nullhypothese dann verwerfen kann? Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein, man darf es nicht. Die Entscheidung, ob einseitig oder zweiseitig getestet werden soll, muss bereits vor der Erhebung der Stichprobe getroffen werden und zwar aufgrund sachli- cher Überlegungen und aufgrund des verfügbaren Informationsstandes. Weiß man über den be- treffenden Anteil nicht viel, wird man zweiseitig testen. Gibt es jedoch gute Gründe, zu vermuten, dass der Anteil größer (bzw. kleiner) als der behauptete Wert ist, wird man einseitig testen. Der Informationsstand kann sich natürlich ändern und damit auch die Art des ange­ wandten Tests. Testet man etwa eine Anteilsbehauptung sehr oft zweiseitig und erhält man in den Stichproben stets größere Anteile als behauptet, kann dies zur Vermutung führen, dass der relative Anteil größer ist als behauptet. Daher kann man beschließen, das nächste Mal einen ein- seitigen Test nach oben durchzuführen. Aufgaben 6 . 30 Bei einer Stückgutproduktion beträgt der relative Anteil der Premiumqualität erfahrungsgemäß 20%. Dieser relative Anteil soll durch einen Test mit der Signifikanz 0,05 geprüft werden. In einer Stichprobe von 500 Stück erhält man 116 Premiumstücke. Zeige, dass die Nullhypothese verwor- fen werden kann, wenn man rechtsseitig testet, aber nicht, wenn man zweiseitig testet! Polizeiliche Ermittlungen nicht ausreichend Unschulds- vermutung Unschuldsvermutung wird verworfen Indizien ausreichend ? L k α –2 α –2 α L Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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