169 8 . 6 historisches zUr Di fferent ialrechnUng Kritik an der Differentialrechnung Newtons vorgehen wurde von vielen seiner Zeitgenossen kritisiert. In der Tat ist sein vorgehen merkwürdig: Er setzt zunächst o ≠ 0 voraus, weil sonst der Differenzenquotient nicht gebildet werden kann. Anschließend wird aber doch o = 0 gesetzt. Dazu bemerkte der Theologe george Berkeley (1685–1753) kritisch und spöttisch: „Bisher [gemeint: bis zum Anschreiben des Differenzenquotienten] habe ich vorausgesetzt …, dass t einen wirklichen Zuwachs hat, dass o etwas ist [gemeint: o ≠ 0]. Und ich bin durchweg von dieser Voraussetzung ausgegangen, ohne die ich nicht imstand gewesen wäre, einen einzigen Schritt zu tun … Ich bitte dann um die Erlaubnis, eine neue Voraussetzung machen zu dürfen, die der ersten entgegenkommt; dh. ich will jetzt voraussetzen, dass es keinen Zuwachs von x gibt oder dass o nichts ist [gemeint: o = 0], welche zweite Voraussetzung meine erste zerstört und mit ihr unverträglich ist … All das scheint eine sehr widerspruchsvolle Art von Argumentation zu sein, so wie sie in der Theologie nicht erlaubt wäre … Ich gebe zu, dass man ein Zeichen entweder etwas oder nichts bezeichnen lassen kann und dass folglich in der ursprünglichen Bezeichnungsweise t + o das o entweder einen Zuwachs oder ein Nichts bezeichnet haben mag. Aber welches von diesen ihr es auch bezeichnen lasst, ihr müsst mit einer solchen Bezeichnung widerspruchsfrei argumentieren und dürft nicht gestützt auf einen Doppelsinn voranschreiten; denn das wäre ein offenbares Sophisma. Mögt ihr mit Worten oder Symbolen argumentieren, die Regeln des richtigen Denkens sind immer dieselben. Noch kann man annehmen, dass ihr in der Mathematik das Privileg verlangt, von ihnen ausgenommen zu sein … Und was sind diese verschwindenden Zuwüchse? Sie sind weder endliche Größen, noch unendliche Größen noch auch nichts. Dürfen wir sie nicht die Gespenster abgeschiedener Größen nennen?“ [Berkeley, G.: The Analyst. 1734] Newton hat auf diese Kritik reagiert und die Begriffe „erste verhältnisse“ und „letztes verhältnis“ verschwindender Größen entwickelt. Die „ersten Verhältnisse“ liegen vor, solange o gegen 0 strebt, aber von 0 verschieden ist. Das „letzte Verhält- nis“ liegt vor, wenn o schließlich 0 erreicht. Den schwammigen Begriff des „letzten verhältnisses“ versucht er so zu präzisieren: „Jene letzten Verhältnisse, mit denen die Größen verschwinden, sind in Wahrheit nicht die Verhältnisse der letzten Größen, sondern die Grenzen (limites), denen sich die Verhältnisse der unbegrenzt abnehmenden Größen jedes Mal nähern, und an die sie näher heran können, als irgendeine gegebene Differenz es ausdrückt …“ [Newton, I.: Philosophiae Naturalis Principia Mathematica, London 1687] Dies entspricht ziemlich genau dem auch von uns verwendeten „unbegrenzten Nähern“. george Berkeley (1685 –1753) Spielplan zu De ludo algebraico von George Berkeley e x z x z v z v e a e x + / / – x x a x + p x f s p x f s p x f s p x f s • • • • • • • • • • • • • • • • x z e Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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