Mathematik verstehen 6, Schulbuch
123 6 . 5 historisches zu Funkt ionen eulers Funktionsbegriff war sehr eingeschränkt. Eine Funktion war identisch mit einem Term, wo- bei die Funktion auf ihrem gesamten Definitions- bereich durch denselben Term gegeben sein musste. Auch musste der Graph mit freier hand ohne abzusetzen gezeichnet werden können („libero manus ductu “). Abschnittweise definierte Funktionen, Sprungfunktionen und auch kons- tante Funktionen ließ euler nicht zu. von Ausdrü- cken wie z 0 , 1 z oder a 2 – az _ a – z behauptete er, dass sie nur aussähen wie Funktionen, aber keine seien. Während Bernoulli φ x schrieb, verwendete euler die Schreibweise f(x), womit er die Funktion meinte und nicht, wie heute üblich, den Funkti- onswert an der Stelle x. Er betrachtete auch „mehrdeutige Funktionen“, zB die Wurzelfunktio- nen, weil er im Gegensatz zur heutigen Überein- kunft 9 _ 4 = ± 2 setzte. (Die mangelhafte Unter- scheidung zwischen Funktion und Funktionswert sowie die Zweideutigkeit des Wurzelsymbols hielten sich bis ins 20. Jahrhundert.) Die von Bernoulli und euler vorgschlagene totale Identifikation einer Funktion mit einem Term führte jedoch bald zu Problemen, beispielsweise bei Beziehungen der folgenden Art: † x † = { x, wenn x º 0 – x, we nn x < 0 hier steht nämlich links ein Term, rechts stehen zwei Terme. Das heißt: links steht eine „Funktion“, rechts stehen zwei „Funktionen“. Die Idee einer abschnittweise definerten Funktion findet man zum ersten Mal bei Joseph Fourier (1768 –1830). Doch blieb auch er zum Teil noch an den Euler- schen vorstellungen hängen. Den Graphen einer abschnittweise konstanten Funktion zeichnete er wie in Abb. 6.6, was aus heutiger Sicht nicht mög- lich wäre, weil einigen Argumenten mehrere Funktionswerte zugeordnet werden. 1 1 0 x y Abb. 6.6 Die völlige Loslösung des Funktionsbegriffs vom Term und vom Graphen gelang aber erst im 19. Jahrhundert. Bei Nikolai lobatschewski (1793 – 1856) und Johann Peter Dirichlet (1805–1859) war nicht mehr die Rede davon, dass eine Funktion durch einen Term oder einen Gra- phen gegeben sein müsse. hans hermann hankel (1839 –1873) hat diese Definitionen noch etwas klarer gefasst (siehe Abb. 6.7). Im Wesentlichen arbeiten heute noch viele Mathematiker, vor allem Anwender, mit diesem Funktionsbegriff. Abb. 6.4: Johann Bernoulli (1667–1748) Man nennt Funktion einer veränderlichen Größe eine Größe, die auf irgendeine Weise aus eben dieser veränderlichen Größe und Konstanten zusammengesetzt ist. Abb. 6.5: leonhard euler (1707–1783) Eine Funktion einer veränderlichen Zahlgröße ist ein analytischer Ausdruck, der auf irgendeine Wei- se aus der veränderlichen Zahlgröße und aus ei- gentlichen Zahlen oder aus konstanten Zahlgrö- ßen zusammengesetzt ist. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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