überall Geschichte/Geographie, Leseheft 1
Das Leben und die Aufgaben im Dorf Wer zum ersten Mal in ein Indianerdorf am Amazonas kommt, wird staunen, wenn er eine Zeit lang die Kinder beobachtet. Kein Geschrei, keine weinenden, nörgeligen, unzufriedenen Babys, nirgendwo trotzige Kleinkinder. Selbst die Jugendlichen wirken seltsam vernünftig und beinahe würdevoll. Die Patzigkeit pickeliger Pubertierender kennt man dort nicht. Säuglinge schaukeln am Busen ihrer Mutter in einer Trageschlinge. Kleinkinder ziehen lachend in Grüppchen durchs Dorf, während die Größeren den Erwachsenen bei leichteren Arbeiten zur Hand gehen. Mädchen wie Sylvia etwa, die spätestens ab dem siebten, achten Lebensjahr spielerisch von ihren Müttern, Großmüttern oder Tanten an die Hausarbeit herangeführt werden. Manchmal durfte ich zuschauen, wenn Sylvia von ihrer Großmutter Antonia in der Kunst des Hängematten- und Perlenknüpfens unterrichtet wurde. Wie gleichmäßig sie weben und knüpfen konnte, wie kunstvoll die Muster auf ihrem Perlenschmuck aussahen. Ob ich das jemals schaffen würde? Die größeren Mädchen lernten unzählige nützliche Dinge, die sie auf die Führung eines eigenen Haushalts vorbereiteten, wenn sie einmal heirateten. Mit dreizehn, vierzehn Jahren erwarteten die meisten bereits ihr erstes Kind. Während die Mädchen von den Frauen in Haus- und Handarbeiten unterrichtet werden, begleiten die Jungen ihre Väter, Onkel oder Paten auf die Jagd. Schon kleine Dreikäsehochs erlernen die Kunst, Taipis herzustellen. Jene Pfeilspitzen mit Widerhaken, mit denen man besonders gut Fische erlegen kann. Oder Ulali, die, mit flüssigem Lianengift bestrichen, zu Giftpfeilen werden. Bei manchen kam später auch der Umgang mit Gewehren und Schrotflinten dazu, die über Generationen gepflegt und weitergegeben werden. Mit Blasrohren und Steinschleudern, mit denen die Aparai in alten Zeiten gejagt hatten, konnte eigentlich kaum noch jemand in unserem Dorf umgehen. Quelle: Catherina Rust, Das Mädchen vom Amazonas. Knaus, München 2011 (bearbeitet) Unterstreiche im Text oben die Aufgaben der Mädchen mit einem roten Stift, die der Buben mit einem blauen Stift Vergleiche deine Lebensumstände mit jenen der Aparai Schreibe Übereinstimmungen und Unterschiede in Stichworten auf Begründe, ob die Kinder der Aparai tatsächlich eine glückliche Kindheit haben Schreibe zwei Beispiele auf 5 10 15 20 2. 3. 4. 39 Kinder in aller Welt Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv
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