sprachreif HUM 4/5, Schulbuch

38 als ältere und verwenden auch eher Deutschlandismen (etwa: Junge statt Bub). Auseinandersetzung mit den Varietäten Projektleiter de Cillia sieht dringenden Bedarf, die Varietä- ten des Deutschen in Österreich im Unterricht bewusst zu the- matisieren. Vorrangige Aufgabe der Schule sei es zwar, die Nor- men einer korrekten Standard- sprache zu vermitteln, aber nicht nur das: „Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche lernen, sich authentisch auszu- drücken. Man muss ihnen auch vermitteln, dass jede Sprach- form – Standardsprache, Um- gangssprache, Dialekt – legitim ist, wenn sie der Situation ange- messen ist.“ Geht es nach den Forschern, sollten außerdem sowohl Lehrer als auch Schüler sich intensiver mit den ver- schiedenen Varietäten des Stan- darddeutschen – etwa jenes in Österreich, Deutschland, der Schweiz – auseinandersetzen und sich dessen bewusst wer- den, dass es nicht nur ein einzi- ges korrektes Deutsch gibt, son- dern eben mehrere Varietäten davon. Gleichgestellte Austriazismen In Lehrplänen, Lehrbüchern und der Pädagogenausbildung findet derzeit laut de Cillia nur eine vage Beschäftigung mit dem Begriff des österreichi- schen Deutsch bzw. Deutsch in Österreich statt. Der überwie- gendenMehrheit der Lehrer (85 Prozent) sei sogar das Konzept der Plurizentrik (eine Sprache kann in mehreren gleichwerti- gen Standardvarietäten vor- kommen) nicht einmal be- kannt. Dabei, so de Cillia, sei das österreichische Deutsch enormwichtig als identitätsstif- tendes Element. Ein Beleg dafür sei, dass anlässlich des EU- Beitritts Österreichs in einem Protokoll die Gleichstellung von 23 Austriazismen mit bun- desdeutschen Ausdrücken fest- geschrieben wurde. „Deutsches Deutsch“ wird als korrekter empfunden Gleichzeitig hat sich in der Un- tersuchung ein gewisses Min- derwertigkeitsgefühl österrei- chischer Schüler wie Lehrer in Bezug auf ihre Standardsprache gezeigt: Zwar bejahen 80 Pro- zent der Lehrer und 68 Prozent der Schüler die Frage, ob es ein österreichisches Standard- deutsch gibt; außerdem ist die überwiegende Mehrheit der Ansicht, dass ein überregiona- les österreichisches Standard- deutsch existiert, das sich vom Deutsch Deutschlands in man- chen Bereichen klar unterschei- det. Allerdings lehnen nur 44 Prozent der Lehrer und 32 Pro- zent der Schüler die Feststellung „Deutsches Deutsch ist korrek- ter als österreichisches Deutsch“ dezidiert ab; der Rest stimmt der Behauptung in unterschied- licher Intensität zu. Österreichisches Deutsch nicht gefährdet Auch wenn diese Daten ein zum Teil ambivalentes sprachli- ches Selbstbewusstsein wider- spiegeln und die Forscher gleichzeitig konstatieren, dass unter Schülern wie jüngeren Lehrern in bestimmten Berei- chen „Austriazismen“ durch „Deutschlandismen“ ersetzt werden (z. B. die E-Mail, die Cola, die Eins), sieht de Cillia den Erhalt des österreichischen Deutschs nicht grundsätzlich gefährdet: „Die Schüler ver- wenden die Varietät, die sie durch die Eltern, die Schule und die Medien vermittelt bekom- men.“ 1 Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung QUELLE: derstandard.at/2000040591031/WenigBewusstseinfueroesterreichischesDeutschanSchulen ; (abgerufen am 21.08.2017) 96 98 100 102 104 106 108 110 112 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 170 172 174 176 178 180 182 184 186 188 190 192 194 196 198 Zwischenstopp Sie haben sich mit folgenden Teilkompetenzen auseinandergesetzt: • über die Unterschiede in der deutschen Sprache (je nach Land) bewusst reflektieren können • „österreichisches Deutsch“ bewusst einsetzen können Zuhören und sprechen 2  Nu r zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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