sprachreif HUM 4/5, Schulbuch

29 Literatur im Vormärz Wenig überraschend ist auch die Literatur des Vormärz gekennzeichnet durch Aufstand und Rebel- lion, Anklage der sozialen und politischen Missstände und bereits recht klare Darstellungen des Lebens in Unterdrückung durch Kirche und Staat. Die Autorinnen und Autoren dieser Zeit nützten Flugschriften, Gedichte, Erzählungen und Dramen dazu, zur Revolution aufzufordern und radikale Änderungen zu verlangen. Die eindeutig politisch motivierte Literatur stand im deutlichen Gegensatz zur etwas weltfremden Literatur des Biedermeier. Bedeutende Autoren waren neben Georg Büchner (1813–1837) beispielsweise Heinrich Heine (1797–1856) oder Ludwig Börne (1786–1837). Lesen Sie das folgende Gedicht von Georg Herwegh und markieren Sie Stellen, in denen Rebellion und politische Kritik zum Ausdruck kommen. Georg Herwegh (1817–1875): Zukunftslied Sommer 1844 Übermüt’ge Triumphierer, Weh euch, wenn ihr’s noch nicht fühlt, Wie der treffliche Minierer Schon den Boden unterwühlt, Daß ihr in der Geisterstunde Kläffend unser Ohr zerreißt! – Doch wir wissen, ihr seid Hunde, Und ihr glaubt an keinen Geist. Aber kommen wird ein Pfingsten 1 Donnernd über euer Haupt Und ein Festtag der Geringsten, Der des Hochmuts Stamm entlaubt. Der sich lange selbst vergessen, Ist am Ziel der Unglücksbahn, Und der Mensch, der sie durchmessen, Kommt beim Menschen endlich an. Fort mit eurer Ahnenbilder Übernächtigem Gesicht! Geht und pflanzt in eure Schilder, Ritter, ein Vergißmeinnicht! Nur ein Ritter ohne Tadel, Nur ein Priester soll noch sein: Für die ganze Welt den Adel! Für die Menschheit Brot und Wein! Keine Steuern, keine Zölle, Des Gedankens Freiverkehr! Keinen Teufel in der Hölle, Keinen Gott im Himmel mehr! Nieder mit dem Blutpokale, Drin der Kirche Wahnwitz kreist! Ein Kolumb 2 zerbricht die Schale, Wenn er eine Welt beweist. Einmal noch uns aufzuraffen Zu des Lebens Maienlust, Reißen wir das Schwert der Pfaffen Aus der Menschheit wunder Brust! Zwischen Jägern und Gehetzten Sei entbrannt die wilde Schlacht, Bis man Frieden auf dem letzten Eingestürzten Tempel macht. Zittert, zittert’ blöde Toren, Vor der Zukunft eh’rnem 3 Tritt – Ja, die Zeit ist neu geboren, Ja, und ohne Kaiserschnitt; Und erobert wird das Leben, Und wir jubeln gloria: Alle Schulden sind vergeben, Denn kein Gläubiger ist da. Durch die Wolken seh ich’s tagen, Und die Nebel, sie verwehn; Mit dem Pegasus am Wagen Muß es endlich vorwärtsgehn. Eine Phalanx laßt uns schlingen, Die kein Henker brechen kann, Und wie jener Römer singen, 4 Nur: die Waffen und den Mann! A44  2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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