sprachreif HUM 4/5, Schulbuch

181 Ihrem Gefühlshaushalt so etwas wie den Begriff Heimat? Oder fühlen Sie sich am ehesten imRei­ sen, imWandern zuhause? Handke: Einfache Fragen sind immer schwer zu beantworten. Ich weiß, dass ich eine Pflicht habe: Die ganze Welt sollte Heimat sein. Deswegen gibt es ja auch das Wort „Weltbürger“. Aber es gelingt mir nicht. Für mich sind alle Orte Flüch­ tigkeiten. Irgendwann merkt man, dass man nir­ gendwo wurzelt, die Orte keine Dauer haben. Außer Sprache vielleicht. Wenn ich am Schreib­ tisch sitze, das mache ich wirklich nicht jeden Tag, es ist eher die Ausnahme, dann denke ich: Das ist Heimat jetzt, ja – eine ephemere 1 Heimat, die Arbeit, Tun – „tun“ ist schöner gesagt als „ar­ beiten“? QUELLE: https://www.welt.de/kultur/article5110963/AlsPeterHandkedenSelbstmordderMuttererlebte.html; (abgerufen am 30.04.2017) 1 ephemer: flüchtig, schnell vorübergehend 84 86 88 90 92 94 96 98 Hören Sie den Ausschnitt von Peter Handkes Erzählung Wunschloses Unglück (1972) unter https://oe1. orf.at/artikel/659677/Peter-Handke-Wunschloses-Unglueck , ab Minute 02:55. Fassen Sie die Lebensbe- dingungen der Mutter zusammen. Machen Sie sich während des Hörens Notizen. Diskutieren Sie im Plenum, warum Autorinnen und Autoren – wie Handke – tragische persönliche Ereignisse in einem Buch verarbeiten. Was spricht dafür, was dagegen? A51  Ó pi8ya8 A52  C Elfriede Jelineks Werke sind für eine sehr deutliche, provokante, obszöne Sprache und teilweise verstörende und beeindruckende Szenen bekannt. Themen in Jelineks Werken sind unter anderem der Nationalsozialismus, die kritische Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff, Kritik am Kapitalis- mus und an patriarchalischen Strukturen sowie Sexualität. Eines ihrer bekanntesten Werke ist Die Klavierspielerin , erschienen 1983. Lesen Sie unter dem Link https://kurier.at/kultur/die-klavierspielerin-von-elfriede-jelinek/714.943 eine Rezension zu dem Buch und begründen Sie im Anschluss daran, ob Sie dieses Werk lesen würden. Lesen Sie den Beginn von Elfriede Jelineks Roman Die Klavierspielerin (1983). Bilden Sie Gruppen und fassen Sie in Stichpunkten zusammen, was Sie über die Mutter-Tochter-Beziehung und die Lebens- situation der beiden Frauen erfahren. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit jenen einer anderen Gruppe. Elfriede Jelinek (*1946): Die Klavierspielerin (1983) Die Klavierlehrerin Erika Kohut stürzt wie ein Wirbelsturm in die Wohnung, die sie mit ihrer Mutter teilt. Die Mutter nennt Erika gern ihren kleinen Wirbelwind, denn das Kind bewegt sich manchmal extrem geschwind. Es trachtet da­ nach, der Mutter zu entkommen. Erika geht auf das Ende der Dreißig zu. Die Mutter könnte, was ihr Alter betrifft, leicht Erikas Großmutter sein. Nach vielen harten Ehejahren erst kam Erika da­ mals auf die Welt. Sofort gab der Vater den Stab an seine Tochter weiter und trat ab. Erika trat auf, der Vater ab. Heute ist Erika flink durch Not geworden. Einem Schwarm herbstlicher Blätter gleich, schießt sie durch die Wohnungstür und bemüht sich, in ihr Zimmer zu gelangen, ohne gesehen zu werden. Doch da steht schon die Mama groß davor und stellt Erika. Zur Rede und an die Wand, Inquisitor und Erschießungskom­ mando in einer Person, in Staat und Familie ein­ stimmig als Mutter anerkannt. Die Mutter forscht, weshalb Erika erst jetzt, so spät, nach Hause finde? Der letzte Schüler ist bereits vor drei Stunden heimgegangen, von Erika mit Hohn überhäuft. Du glaubst wohl, ich erfahre nicht, wo du gewesen bist, Erika. Ein Kind steht seiner Mutter unaufgefordert Antwort, die ihm A53  Ó da6er4 A54  C 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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