sprachreif HUM 3, Schulbuch

90 Wunsch nach Halt „Du wirst nicht enttäuscht, wenn du nie etwas erwartest, und bevor du etwas falsch machst, dann mach mal lieber gar nichts“ – diese Zeilen aus einem Lied der deutschen Band Kraftklub könnten ebenso gut aus der jüngsten Jugendstu­ die von Bernhard Heinzlmaier stammen. Der Jugendforscher beschäftigt sich seit Jahren mit den Wünschen und Sorgen von Heranwachsen­ den. In den Umfragen von 2016 mit mehr als tausend österreichischen jungenMenschen stach eine Zahl hervor: 75 Prozent sehnen sich nach einemHalt im Leben – nach einem verlässlichen Lebensentwurf, einer planbaren Zukunft. „Die jungen Leute sind auf der Suche nach einem si­ cheren Grund unter ihren Füßen“, konstatiert der Forscher. „Alles ist schnell und flüssig, nichts hat Bestand. Es ist schwierig, vom Status Quo auf die Zukunft zu schließen. Das ist das Grundge­ fühl der Generation.“ Schuld sind nicht zuletzt die vielen Krisen, mit denen die „Millennials“ aufgewachsen sind: Zu­ erst 9/11, dann die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, weitere Terroranschläge, Bildungskrise, EU-Krise, Euro-Krise. Heinzl­ maier: „Die jungenMenschen leben in einer per­ manenten Krisensituation, jeden Tag wird ihnen von einer neuen berichtet. In so einer Phase der totalen Unsicherheit kann es keine Aufbruch­ stimmung geben.“ Die Jungen, so der Jugendfor­ scher, hätten den Glauben an die Gesellschaft verloren. „Sie glauben nicht, dass sie etwas be­ wirken können, Politik interessiert sie nicht. Das Einzige, was sie selber beeinflussen können, ist das individuelle, private Leben – sei es die Fami­ lie, Freunde oder der Körper.“ 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 Geben Sie den Inhalt des folgenden Abschnitts mit eigenen Worten in max. zwei Sätzen wieder: A34  Mitmachen statt zusehen Julian Schmid sieht das anders. Der 27-Jährige sitzt als jüngster Nationalratsabgeordneter für die Grünen im Parlament. Er ist überzeugt, dass junge Menschen mitbestimmen können – aller­ dings müsse man sich erkämpfen, dass die Poli­ tik an die eigene Zukunft und an Themen denkt, die einem als Junger wichtig sind. „Es stimmt schon, dass Krisen einschüchtern. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass die Dinge besser werden, wenn man sich selbst herausnimmt.“ Dennoch: Ihr Wahlrecht nutzen auch hierzulan­ de nicht alle. 16-jährige Erstwähler gehen selte­ ner zur Wahl als der Durchschnitt, zeigte eine Studie von 2013. Was macht Politik in den Augen der Jungen so unattraktiv? Schmid: „Viele haben das Gefühl, die Politik ist wie ein Karussell – man steht außerhalb und schaut zu, wie es sich um sich selber dreht. Das stimmt auch. Die alte Poli­ tik denkt zu kurzfristig, schaut nur auf die nächs­ te Wahl – das turnt ab. Macht es aber nicht weni­ ger wichtig, dass man aktiv wird.“ Gesellschaftliches Engagement bedeutet heute nicht mehr unbedingt, einer Partei beizutreten, sondern auch NGOs oder Vereinen. „Wenn In­ teresse da ist, ist das schon einmal gut“, so Schmid. Bei der Flüchtlingsthematik und Bun­ despräsidentenwahl haben sich viele aktiv betei­ ligt, berichtet der 27-Jährige. Er sieht sogar eine Art Wende zur Repolitisierung der Jungen. Das zeigte sich auch bei der Zentralmatura. „Noch nie wurde, vor allem von Schülern, so viel über unser Bildungssystem diskutiert. Das ist eine Ge­ neration, die sich Gedanken macht und das Sys­ tem ändern will.“ 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 Einen Leserbrief schreiben Schritt 1: Planen Schreiben 3  Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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