sprachreif HUM 3, Schulbuch
38 das Frauen-Wahlrecht zu brechen, die amerikanischen Suffragetten kön- nen das schon selbst tun. Ich bin hier als ein Soldat, der für kurze Zeit das Schlachtfeld verlassen hat. Ich bin hier, um zu erklären, wie ein Bürger- krieg aussieht, wenn er von Frauen geführt wird. Ich bin hier als eine Person, die gemäß dem Rechtssystem meines Landes wertlos für die Ge- meinschaft ist. Ich bin als „gefährli- che Person“ eingestuft, verurteilt zu einer Gefängnisstrafe. […] Vor acht Jahren wurde erstmals das Wort „militant“ benutzt, um unsere Aktivitäten zu beschreiben. Dabei waren wir überhaupt nicht „militant“, mit der Ausnahme vielleicht, dass wir militantes Vor- gehen auf der Seite unserer Gegner provoziert haben. Wir haben als Frauen in politischen Versammlungen Fragen gestellt und dar- auf keine Antworten erhalten. Das war alles andere als militant. In Großbritannien ist es lang geübte Tradition, Fragen an Mitglieder des Parlaments und an Regierungsmitglieder zu stellen. Kein ein- ziger Mann wurde je aus einer politischen Versammlung ausge- schlossen, nur weil er Fragen gestellt hat. Es waren Frauen, die aus Versammlungen geworfen wurden, weil sie es gewagt haben, Fra- gen zu stellen. Sie wurden brutal misshandelt, wurden ins Ge- fängnis geworfen, ehe auch nur 24 Stunden vergangen waren. Man bezeichnet uns als „militant“, und ich bin gerne bereit, den Begriff zu akzeptieren. Wir sind entschlossen und gezwungen, die Frage der Gleichberechtigung der Frauen bis zu jenem Punkt zu- zuspitzen, an dem wir nicht länger von Politikern ignoriert wer- den können… […] Frauen sind sehr langmütig und geduldig, aber wenn sie ein- mal aufgebracht sind, wenn sie einmal ein Ziel vor Augen haben, wird sie nichts auf der Welt und nichts imHimmel zum Aufgeben zwingen können. Und daher ist diese „Katz-und-Maus“-Politik, die heute gegen Frauen angewandt wird, total gescheitert. Es sind Frauen, die, vom Tod gezeichnet, wieder so weit zu Kräften kom- men, dass sie Operationen überstehen können und nicht nachge- ben oder gar kapitulieren. Und diese Frauen werden, wenn sie vom Krankenbett aufstehen, wieder kämpfen wie zuvor. Es gibt Frauen, die sich auf einer Bahre zu Versammlungen tragen lassen. Sie sind schon zu schwach, um zu sprechen, aber sie zeigen sich unter ihren Mitkämpferinnen, um zu beweisen, dass ihr Wille un- gebrochen ist und der Kampfgeist lebt. Sie wollen damit allen zeigen, dass sie bis an ihr Lebensende damit weitermachen wer- den … 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 Verhaftung Emmeline Pankhursts während eines Protests, 1914 Lesen Zuhören und sprechen 2 Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv
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