sprachreif HUM 3, Schulbuch

193 Merkenswert: Österreichische Literatur der Zwischenkriegszeit Diese literarische Epoche ist einerseits geprägt von einer Neuorientierung des Theaters durch Bertolt Brecht (1898–1956), andererseits durch das in großen Romanen verarbeitete Ende der Monarchien Deutschlands und Österreich-Ungarns und die damit verbundenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme. Zentrale Romane sind Radetzkymarsch von Joseph Roth (1894–1939) und Der Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil (1880–1942). Ein weiterer bedeutender Schriftsteller der Zwischenkriegszeit ist Ödön von Horváth (1901–1938), der sowohl Romane, z. B. Jugend ohne Gott , verfasst hat, wie auch bekannte Volks­ stücke ( Geschichten aus dem Wiener Wald, Glaube Liebe Hoffnung ). Wichtige Themen in der Literatur sind der Niedergang der Habsburger Monarchie, Krieg, gesellschaftliche Zwänge und deren Ausweglosigkeit sowie die Radikalisierung der Gesellschaft. Lyrik Lesen Sie das Gedicht Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn? von Erich Kästner (1899–1974). Beschreiben Sie das Land, das im Titel genannt wird. Analysieren Sie die formale, sprachliche und inhaltlich-thematische Gestaltung des Gedichts. Erich Kästner, um 1930 A39  B 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Erich Kästner: Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? (1927) Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen! Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn in den Büros, als wären es Kasernen. Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe. Und unsichtbare Helme trägt man dort. Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe. Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort! Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will – und es ist sein Beruf etwas zu wollen – steht der Verstand erst stramm und zweitens still. Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen! Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen und mit gezognem Scheitel auf die Welt. Dort wird man nicht als Zivilist geboren. Dort wird befördert, wer die Schnauze hält. Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein. Es könnte glücklich sein und glücklich machen! Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen. Selbst Geist und Güte gibt’s dort dann und wann! Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen. Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann. Das will mit Bleisoldaten spielen. Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. Was man auch baut − es werden stets Kasernen. Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen! QUELLE: Kästner, Erich: Die Gedichte. Berlin: Haffmanns 2010. S. 30. Lesen Sie das Gedicht Mignon von Johann Wolfgang von Goethe (z. B. hier: https://gutenberg.spiegel. de/buch/gedichte-9503/117 ). Vergleichen Sie dieses Gedicht mit jenem von Erich Kästner in Hinblick auf Thema und sprachliche Gestaltung. Deuten Sie aufbauend auf Ihrem Vergleich die Wirkungen und Intentionen der beiden Gedichte. A40  B Ó hn4x4j Reflexion Literatur Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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